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Wie ganz anders bin ich! Immer bescheiden und schüchtern nahe ich
meiner Herrin Ich forsche erst nach ihren Blicken ob ich ihr auch
nicht ungelegen komme. Sanft und leise berühre ich den Saum ihres
Kleides und nimmt sie mich auf ihren Schoß um mich zu streicheln,
so reiche ich ihr unaufgefordert den Hals und den Rücken entgegen,
und ich gebe ihr meine Freude zu erkennen, indem ich schnurre wie
ein Spinnrad und uUnd,“ fiel der Hund ihr ins Wort, „ehe
man sich's versieht, hast du ihr die Hand oder das Gesicht blutig
gekratzt. Ich kenne dich wohl. Als wir noch beide jung waren und
miteinander spielten, wie oft hast du mich da mit denen scharfen
Krallen verwundet und gerade dann, wenn du am allerfreundlichsten
schienst. Es ist eine alte Erfahrung: die gar zu freundlichen sind
die gefährlichsten Freunde Man sagt von ihnen: Sie sind wie die
Katzen, die vorn lecken, hinten kratzen. Man darf ihnen nicht trauen
und muß beständig auf seiner Hut sein. Sie sind nie aufrichtig,
weil sie das Licht der Wahrheit nicht lieben. Darum tkreibe ihr Katzen
euer Unwesen bei Nacht. Zum Glück leuchten eure tückischen Augen
wie glühende Kohlen, so daß man euch schon von weitem erkennen
und sich hüten kann Und rachsüchtig seid ihr auch. Wer euch ein⸗
mal beleidigt hat an dem übt ihr oft nach langer Zeit eure Rache
aus. Man erzählt viele unsauberen Geschichten von euch.“ — Karo
hätte seine Predigt noch lange Zeit fortgesetzt; aber er ärgerte sich
zu sehr, denn die Katze hatte, so lange er sprach, die Augen zuge⸗—
macht und sich gestellt, als ob sie nichts hoͤrten Deshalb ging er
weg mit grämlichem Gesichte
60. Die Reisegefährten.
Vor dem Tore einer Stadt traf ein lahmer Pudel mit einem
hinkenden Kater zusammen „O,“ rief der Katen, „wie freue ich mich,
daß ich einen Gefährten finde, welcher mir nicht davonläuft und
mich nicht ausspottetl“ Der Pudel war es zufrieden, daß sie zu—
sammen wanderten. Und sie wurden unterwegs immer bessere Freunde.
Da erzählte einer dem andern seine Schicksalen Der Pudel sprach:
„Wenn ich daran denke, wie ich lahm geworden bin, so tut mir
immer mein armer Herr leid; den haben die Raͤuber in dem Wald—
totgeschlagen, und weil ich ihn verteidigte, mir mein Bein zerschmettert.“
„Da wäre ich lieber davongelaufen,“ sagte der Kater, „denn ein
Beinbruch tut weh. Ich hälle mich auch gern davongemacht, als mir
der Koch mit seinem Hackinesser däs Bein zerschlug ‚Wes hattest
du dem Koche getan?“ fragte der Pudel. Ei, rwidelle der Kater,
„ich wollte mir ein Rebhuͤhnchen holen, das auf dem Herd stand
und gar zu angenehm roch ESo,“ sagte der Pudel, du bist lahm
geworden, weil du gestohlen hatlest? Das ist mi leid; dann können
wir nicht weiter zusammen reisen.“ Und er schlug einen andern
Weg ein.
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