Full text: [Teil 1, [Schülerband]] (Teil 1, [Schülerband])

27 
Wie ganz anders bin ich! Immer bescheiden und schüchtern nahe ich 
meiner Herrin Ich forsche erst nach ihren Blicken ob ich ihr auch 
nicht ungelegen komme. Sanft und leise berühre ich den Saum ihres 
Kleides und nimmt sie mich auf ihren Schoß um mich zu streicheln, 
so reiche ich ihr unaufgefordert den Hals und den Rücken entgegen, 
und ich gebe ihr meine Freude zu erkennen, indem ich schnurre wie 
ein Spinnrad und uUnd,“ fiel der Hund ihr ins Wort, „ehe 
man sich's versieht, hast du ihr die Hand oder das Gesicht blutig 
gekratzt. Ich kenne dich wohl. Als wir noch beide jung waren und 
miteinander spielten, wie oft hast du mich da mit denen scharfen 
Krallen verwundet und gerade dann, wenn du am allerfreundlichsten 
schienst. Es ist eine alte Erfahrung: die gar zu freundlichen sind 
die gefährlichsten Freunde Man sagt von ihnen: Sie sind wie die 
Katzen, die vorn lecken, hinten kratzen. Man darf ihnen nicht trauen 
und muß beständig auf seiner Hut sein. Sie sind nie aufrichtig, 
weil sie das Licht der Wahrheit nicht lieben. Darum tkreibe ihr Katzen 
euer Unwesen bei Nacht. Zum Glück leuchten eure tückischen Augen 
wie glühende Kohlen, so daß man euch schon von weitem erkennen 
und sich hüten kann Und rachsüchtig seid ihr auch. Wer euch ein⸗ 
mal beleidigt hat an dem übt ihr oft nach langer Zeit eure Rache 
aus. Man erzählt viele unsauberen Geschichten von euch.“ — Karo 
hätte seine Predigt noch lange Zeit fortgesetzt; aber er ärgerte sich 
zu sehr, denn die Katze hatte, so lange er sprach, die Augen zuge⸗— 
macht und sich gestellt, als ob sie nichts hoͤrten Deshalb ging er 
weg mit grämlichem Gesichte 
60. Die Reisegefährten. 
Vor dem Tore einer Stadt traf ein lahmer Pudel mit einem 
hinkenden Kater zusammen „O,“ rief der Katen, „wie freue ich mich, 
daß ich einen Gefährten finde, welcher mir nicht davonläuft und 
mich nicht ausspottetl“ Der Pudel war es zufrieden, daß sie zu— 
sammen wanderten. Und sie wurden unterwegs immer bessere Freunde. 
Da erzählte einer dem andern seine Schicksalen Der Pudel sprach: 
„Wenn ich daran denke, wie ich lahm geworden bin, so tut mir 
immer mein armer Herr leid; den haben die Raͤuber in dem Wald— 
totgeschlagen, und weil ich ihn verteidigte, mir mein Bein zerschmettert.“ 
„Da wäre ich lieber davongelaufen,“ sagte der Kater, „denn ein 
Beinbruch tut weh. Ich hälle mich auch gern davongemacht, als mir 
der Koch mit seinem Hackinesser däs Bein zerschlug ‚Wes hattest 
du dem Koche getan?“ fragte der Pudel. Ei, rwidelle der Kater, 
„ich wollte mir ein Rebhuͤhnchen holen, das auf dem Herd stand 
und gar zu angenehm roch ESo,“ sagte der Pudel, du bist lahm 
geworden, weil du gestohlen hatlest? Das ist mi leid; dann können 
wir nicht weiter zusammen reisen.“ Und er schlug einen andern 
Weg ein. 
3 *
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.