Taschi-Lama an mich gerichtet war. An jeder Raststelle wurde mir
mitgeteilt, vor wieviel Tagen er den Ort passiert habe. Daß die Nomaden
uns so bereitwillig Yaks zur Verfügung stellten, beruhte aber zum nicht
geringen Teil auch darauf, daß sie stets gut bezahlt und freundlich
behandelt wurden. Jetzt marschierten unsere eigenen Yaks ohne Lasten
wie die sieben Ladakipferde und der letzte Maulesel. Ich aber war auf
alles vorbereitet. Es war verabredet, daß, falls wir einmal keine Transport¬
iere fänden, ich mit Muhamed Isa und Namgjal auf unsern drei tibetischen
Pferden in Eilmärschen nach Schigatse reiten würden, während die
Karawane unter Roberts Refehl langsam nachkonmien sollte. Wir hatten
in der Nacht 32,5° Kälte gehabt, und der Morgen war abscheulich kalt,
trüb und stürmisch. In einem neuen Tal erstiegen wir den nächsten
Paß. Wir waren noch nicht weit gelangt, als wir schon halbtot vor Kälte
waren; Robert weinte, so fror ihn. Als es am wärmsten war, hatten wir
noch i5,3° Kälte und scharfen Wind gerade ins Gesicht!
Man würde sich das Gesicht, besonders die Nase erfrieren, wenn man
nicht die ganze Zeit über in die Öffnung des langen Pelzärmels hinein¬
atmete, wo der Atem aber so schnell Eis bildete, daß einem der Ärmel
am Schnurrbart festfror. Da ist es nicht leicht, Kartenarbeit auszuführen!
Revor ich meine Peilung gemacht und nach der Uhr gesehen habe,
ist die linke Hand schon wie tot, und wie ich mich auch beeile, habe
ich doch die Reobachtungen nicht niedergeschrieben, ehe meine rechte
Hand vollständig gefühllos wird. Zu Fuß gegen den Sturm angehen,
ist bei starkem Steigen und bei der so dünnen Luft unmöglich, wenn
man die geringste Rücksicht auf sein Herz nehmen will. Wir krochen
in eine Grotte und saßen auf der geschützten Seite niedergekauert;
wir steckten die Hände, um sie aufzutauen, zwischen Pferd und Sattel¬
gurt; wir stampften mit den Füßen und sahen entsetzlich aus, wenn dabei
die Gesichtsmuskeln so erstarrten, daß wir kaum sprechen konnten.
„Nein, laßt uns lieber Weiterreisen, droben zünden wir ein Feuer an!
Und so arbeiten wir uns durch scharfkantigen Schutt und zwischen
Steinblöcken hindurch mühsam nach der Höhe hinauf. Endlich sind
wir droben auf der flachen Wölbung des Tschesang-la, auf einer ab¬
soluten Höbe von 5^74 m. Dieser Paß ist also noch ein wenig höher
als der Sela-la, aber trotzdem ist er nur ein Paß zweiten Ranges, da
er in dem Kamm liegt, der zwei der Nebenflüsse des My-tschu von¬
einander trennt. Als wir kamen, hielten sich drei große, graue Wölfe
auf dem Paß auf, ergriffen aber schnell die Flucht. Hier tobte der
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