Full text: Geschichte der neueren Zeit (Theil 3)

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Ruhe unter dem Volke zu erhalten, hatte der König ein Heer 
von fünfzigtausend Mann um Paris zusammengezogen; aber 
dieses Mittel entflammte die Wuth nur noch mehr. Und als 
der König eben jetzt seinen Minister Necker, den Abgott des 
Volkes, entließ, weil er ihn für den Haupturheber aller die¬ 
ser Unruhen hielt, da gerieth die ganze unermeßliche Haupt¬ 
stadt in Aufruhr. Die Sturmglocken ertönten, das Volk rot¬ 
tete sich zusammen auf allen Plätzen, in allen Straßen, er¬ 
brach die Zeughäuser und zog bewaffnet gegen die Bastille, das 
ihm längst verhaßte Staatsgefängniß. Diese ward erstürmt 
und geschleift, die Besatzung niedergemetzelt, und der Kopf des 
Kommandanten auf einer langen Stange unter dem gräßli¬ 
chen Jubel des nachströmenden Volkes im Triumphe durch die 
Stadt getragen. Dieses geschah am 14. Juli 1789*) und 
war der Anfang der großen französischen Staatsumwälzung. 
Um den gewaltigen Sturm der Volkswuth zu beschwich¬ 
tigen, hatte der König die Schwäche, das Heer schnell aus 
der Nähe von Paris zu entfernen und Necker zurückzurufen. 
Das Volk sah nun, daß man dem Könige alles abtrotzen 
konnte, und wurde immer zügelloser. Ganze Haufen des 
nichtswürdigsten und verworfensten Gesindels strömten aus al¬ 
len Provinzen nach Paris, um hier mit den Anführern Ge¬ 
fahr und Beute zu theilen. Wie in Paris, so wurden in 
allen Städten die bisherigen Magistrate durch neue ersetzt, 
und eine besondere Bürgermilitz, Nationalgarde genannt, 
errichtet. Sie trug als Abzeichen der Revolution dreifarbige 
Kokarden: roth und blau, die Farben der Stadt Paris, 
und weiß, die Farbe des Reiches. 
Unterdessen erklärte die Nationalversammlung, statt auf 
Tilgung der Schulden zu denken, „die Rechte der Men¬ 
*) In demselben Jahre machte der englische Arzt Eduard Jen¬ 
ner die wichtige Entdeckung, daß die Kuhpocken gegen die Menschen¬ 
blattern schützen, wenn man die Kinder damit einimpst.
	        
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