14. Liebe. 
Hätt ich Menschen⸗, hätt ich Engel- Gäb ich Armen alle meine Habe, 
zungen, gäbe meinen Leib zur Gottesgabe 
würde Gottes Lob von mir gesungen, Preis dem Feuer, lachete der Glut; 
wie ein Sternen⸗, wie des Himmels und mir fehlete die Liebe: — 
Sang diehe, Liebe 
und mir fehlete die Liebe: — ohne dich ist Thun und Leiden leere, 
Liebe, Liebe, Schellenklang! blinde Wuth! 
ohne dich sind meine Lieder todter Viebe, du bist gütig, freundlich, milde, 
Hätt ich Prophezeiung, alle Tiefen neidlos, eiferst nimmer toll und wilde, 
der Geheimnisse, Erkenntnistiefen, nimmer stolz und ungeberdig nie, 
hätt ich Berge zu versetzen Macht; nicht argwöhnisch suchst das Meine, 
und mir fehlete die Liebe: — nicht das Deine: 
Liebe, Liebe, mein Wissen Nacht! nur die Wahrheit, nicht die Lüge, 
ohne dich wär all mein Glaube, all Gutes freuet dich! 
Alles deckt die Liebe, hoffet, duldet, 
duldet alles, was sie nie verschuldet. 
Liebe, du wirst bleiben, du allein! 
Alle Gaben werden schwinden, 
Sprachen schwinden, 
alles Stückwerk der Erlenntnis; Liebe nur wird sein. 
Gottfried August ßürger, 
geb. 1. Jan. 1784 zu Molmerswende bei Halberstadt, gest. als Professor in Göttingen 8. Juni 1794. 
15. Der Kaiser und der Abt. 
Ich will euch erzählen ein Märchen, gar schnurrig: 
es war mal ein Kaiser, der Kaiser war kurrig; 
auch war mal ein Abt, ein gar stattlicher Herr; 
nur schade! sein Schäfer war klüger als er. 
Dem Kaiser wards sauer in Hitz und in Kälte 
oft schlief er bepanzert im Kriegesgezelte; 
oft hatt er kaum Wasser zu Schwarzbrot und Wurst; 
und öfter noch litt er gar Hunger und Durst. 
Das Pfäfflein, das wußte sich besser zu hegen 
und weidlich am Tisch und im Bette zu pflegen; 
wie Vollmond glänzte sein feistes Gesicht; 
drei Männer umspannten den Schmerbauch ihm nicht. 
Drob suchte der Kaiser am Pfäfflein oft Hader. 
Einst ritt er, mit reisigem Kriegesgeschwader, 
in brennender Hitze des Sommers vorbei. 
Das Pfäfflein spazierte vor seiner Abtei. 
„Ha“, dachte der Kaiser, „zur glücklichen Stunde!“ 
und grüßte das Pfäfflein mit höhnschem Munde: 
„Knecht Gottes, wie gehts dir? Mir däucht wol ganz recht, 
das Beten und Fasten bekomme nicht schlecht.
	        
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