Full text: Dichter im deutschen Schulhause

Judas: Vielleicht. 
Sie kannte ich. Doch wer bist Du? 
Satan: Du lügst! 
Du solltest mich nicht kennen? Dies nicht ahnen 
Kann das Geschöpf den Schöpfer auch betrügen? 
Die Lüge den, der sich ihr Vater nennt? 
Judas: Aus freiem Willen kniet' ich vor dem Weibe, 
Dein Wort soll zwingend mich dazu bewegen. 
Satan: Du hörtest nicht, daß Demut Herrscher ziert? 
Judas: Ich hörte stets, daß des Verräters Stachel 
Sich meuchlerisch zum eignen Busen wende. 
Satan: Den nenn ich feig, den schon das Wort erschreckt. 
Nenn's Liebe, wenn Du willst, so wird Dir's leichter. 
Judas: Wenn ich mich beugen will, so nicht vor Dir, 
VNicht vor dem Herrn, der nur verspricht und nichts 
Gehalten, sondern dem, dem ich vertraue. 
Satan: Um ewig Sklave eines Knechts zu sein. 
Judas: (nach einer längeren Pause tiefen Nachdenkens) 
Verlange, was Du willst, nur dieses nicht, 
Gewalt und Macht erwart' ich nicht von Dir, 
Nur einen Rat und, so Du willst, auch Beistand. 
Satan: Mein Rat, der nützt Dir nicht — nicht Dir — Dir nimmer 
Der kühne Geist, der Dich e wars 
Der mich zu Dir gezogen, doch Du bist 
Ein Mensch, das heißt verzagt und elend sein. 
Wann raffte sich ein Mensch zur Kühnheit auf, 
Wo nicht die blinde Reue hinkend folgte? 
Da wird gefragt, gebangt, gezagt, gedacht; 
Die Zeit verrinnt vor weisem Uberlegen 
Und von geheimem Skrupel bebt das Herz. 
Was nennst Du gut, und was heißt man gemein? 
Nicht istss die That, nein der felg entscheidet. 
Dich preist die Nachwelt, wenn sie Dir gelingt, 
Doch wehe Dir, mißrät's, was Du gewollt, 
Da heißt Verrat, was man Dir sonst gepriesen. 
18*
	        
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