Full text: Edelsteine deutscher Dichtung

244 Achtes Schuljahr. 
Durch alle Straßen tönt der munt're Reigen, 
Altar und Kirche prangt in Festes Glanz, 
Und Pforten bauen sich aus grünen Zweigen, 
Und um die Säule windet sich der Kranz; 
Das weite Rheims faßt nicht die Zahl der Gäste 
Die wallend strömen zu dem Völkerfeste. 
2. Und einer Freude Hochgefühl entbrennet, 
Und ein Gedanke schlägt in jeder Brust; 
Was sich noch jüngst in blut'gem Haß getrennet, 
Das teilt entzückt die allgemeine Lust. 
Wer nur zum Stamm der Franken sich bekennet, 
Der ist des Namens stolzer sich bewußt; 
Erneuert ist der Glanz der alten Krone, 
Und Frankreich huldigt seinem Königssohne. 
Doch mich, die all' dies Herrliche vollendet, 
Mich rührt es nicht, das allgemeine Glück; 
Mir ist das Herz verwandelt und gewendet, 
Es flieht von dieser Festlichkeit zurück; 
Ins brit'sche Lager ist es hingewendet,“ 
Hinüber zu dem Feinde schweift der Blick, 
uͤnd aus der Freude Kreis muß ich mich stehlen, 
Die schwere Schuld des Busens zu verhehlen. 
Wer? Ich? Ich eines Mannes Bild 
In meinem reinen Busen tragen? 
Dies Herz, von Himmels Glanz erfüllt, 
Darf einer ird'schen Liebe schlagen? 
Ich, meines Landes Retterin, 
Des höchsten Gottes Kriegerin, 
Für meines Landes Feind entbrennen? 
Darf ich's der keuschen Sonne nennen, 
Und mich vernichtet nicht die Scham! 
Die Musik hinter der Scene geht in eine weiche, schmelzende Melodie über.) 
M) in d. letzten Schlacht entwaffnete sie einen engl. Anführer 
Nameus Lionel, wurde aber v. Liebe zu ihm ergriffen, als sie ihm 
ins Antlitz sah, u. ließ ihn entfliehen.
	        
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