Full text: Im alten Reich ([Teil 1])

— 254 — 
Milch hätten für ihre Kinder. Es waren aber kleine und magere Ziegen, und 
sie gaben nicht viel Milch. Da hat nun der Landrat schöne große Ziegen aus 
der Schweiz kommen lassen und hat den Leuten gezeigt, daß die auch bei uns 
leben können und garnicht mehr Futter brauchen und doch viel mehr Milch 
geben. Da haben die Leute das gelernt und sich solche Ziegen verschafft, und 
sie bekamen jetzt viel schöne Milch, und wer früher kaum für sich selber und seine 
Kinder genug hatte, der konnte jetzt noch etwas verkaufen, und die armen Leute 
waren eigentlich garnicht mehr arm, sondern es ging ihnen ganz gut. Ein anderer 
Landrat hat den Leuten in seinem Kreise gezeigt, wie sie schöne Äühner ziehen 
können, die viel mehr Eier legen als die Äühner, die früher in der Gegend 
bekannt waren. Sonst kümmert sich eben der Mensch meistens nur um sich selbst, 
und ein Graf oder Gutsbesitzer denkt meist nur daran, daß es ihm selber Wohl 
geht. Der Landrat aber darf nicht nur an sich selber denken, sondern daran, 
daß es allen Leuten in seinem Kreise wohl geht, und wer das nicht tut, der ist 
ein schlechter Landrat. Das tut er aber nicht bloß aus sich heraus, sondern das 
tut er, weil sein König ihn dahin gestellt hat. Das alles haben unsere Könige 
hauptsächlich von Friedrich Wilhelm I. und Friedrich dem Großen gelernt; 
denn das waren die rechten Landesväter für ihr Königreich Preußen. 
Da kann man sich wohl denken, wie lieb die Leute ihren Alten Fritz ge- 
habt haben. Er war zwar nicht so hart und jähzornig wie sein Vater, aber 
auch ziemlich streng und kurz und manchmal recht knurrig. Aber die Leute sahen 
ja, wie er gerecht war und den Armen half und wie er auch sich selber nicht 
bell er behandelte als die andern. Einmal hatte er einer Stadt recht treu aus 
der Not geholfen, da kamen denn Abgesandte dieser Stadt und wollten sich 
beim König bedanken. Da sagte er kurz und knurrig zu ihnen: „Ihr habt mir 
nichts zu danken, denn dafür bin ich da." 
Wie nun der König im ganzen Lande überall nach dem Rechten sehen 
wollte, oft hinreiste und zusah, was die Beamten machten, dann wieder all die 
Berge von Briefen durcharbeitete, die währenddessen nach Potsdam oder Berlin 
oder Sanssouci gekommen waren, da hatte er natürlich so schrecklich viel zu tun, 
daß ihm die Tage einfach zu kurz wurden. Er arbeitete immer bis spät in die 
Nacht, und am frühen Morgen, im Sommer um fünf, im Winter um sechs, 
stand er schon wieder auf und setzte sich an den Schreibtisch. And so wurde von 
all der Arbeit sein Rücken immer krummer und sein Gesicht immer faltiger, 
nur die riesigen Augen blieben so klar und fest, wie sie gewesen waren. Ein¬ 
mal hatte er auch bis in die späte Nacht gearbeitet. Zuletzt kam sein treuer
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.