20
Indien.
die Wohlgerüche, das Rosenöl und die Elephanten haben von je¬
her gereizt, und diese Vorstellung ist häufig von dem Glauben'an in¬
dische Weisheit durchwirkt worden. Von Indien ist nie eine Erobe¬
rung ausgegangen, sondern es selber immer erobert worden. Von
Alexander dem Großen ab bis auf die neueste Zeit hat sich diese
Sehnsucht nach Indien immer wieder aufs Stärkste bewährt. Nur
Alexander gelang cs, zu Lande nach Indien vorzudringen, aber er
hat es auch nur berührt, nicht betreten. In den unmittelbaren Ver¬
kehr mit dicsein Wunderlande zu treten, ist den Europäern nur dadurch
gelungen, daß sie hinten herumgekommen sind auf dem Meere.
Das politische und religiöse Leben der Indier zeichnen die streng
geschiedenen Stände, die Kasten aus. Der erste Stand stellt das
Göttliche selbst vor, der Stand der Brahmanen; der zweite Kraft und
Tapferkeit, die Krieger; der dritte Gewerbe und Handel; der vierte
die dienende Klasse (Sndras). Arrian zählt sieben Kasten, in neuerer
Zeit hat man deren über dreißig herausgebracht, die aus der Ver¬
mischung der einzelnen Kasten entstehen. Die Vielweiberei muß noth-
wendig dazu führen. Einem Brahmanen werden drei Weiber aus den
andern Kasten gestattet, wenn er nur eine aus der seinigen nimmt
Die niedrigste Kaste ist die der Paria'ö, sie ist ausgeschlossen und
verhaßt, muß abgeschieden wohnen und fern von der Gemeinschaft mit
Andern. Einem Hohem müssen die Paria's ans dem Wege gehen,,
und jedem Brahmanen ist es erlaubt, den sich nicht entfernendem
niederzustoßen. Trinkt ein Paria aus einem Teich, so ist er verun¬
reinigt und muß von Neuem eine Weihe empfangen. Die Sage er¬
zählt, die Brahmanenkafte sei aus dem Munde des Brahma (höchsten
Gottes), die Kriegerkaste aus seinen Armen, die Gewerbtreibenden
aus seiner Hüfte, die Dienenden aus seinen Füßen entsprungen.
Die stillbetrachtende Andacht ist das Höchste, wozu sich ein Brah-
mane erheben kann. Die Brahmanen, welche derselben fähig sind, wer¬
den zweimal Gezeugte genannt, die andern Kasten können ebenfalls dieser
Wiedergeburt theilhaftig werden, wenn sie aus allen Lebensverhält-
uissen auöscheiden und sich der Beschaulichkeit hingeben. Der Grund-
zug dieser Art von Religiosität ist die Verachtung des Lebens und des
lebendigen Menschen. Die Brahmanen sind dafür geboren; die aus
den andern Kasten sich dazu erheben, heißen Jogi. Ein Engländer,
der auf der Reise nach Tibet zum Dalailama einem solchen Jogi be¬
gegnete, erzählt: Der Jogi befand sich schon auf der zweiten Stufe,