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Betrag von 65 Mark, auf eine Familie von vier Köpfen erst 260 Mark. 
Das erscheint vielleicht gar nicht so wenig. Aber bedenke einmal, 
daß allein die preußischen Sparkassen über 12 Milliarden Mark Spargelder 
verwalten, alle deutschen Lebensversicherungsanstalten über ein Vermögen 
von 51 Milliarden Mark verfügen und alle Landesversicherungsanstalten 
mehr als 2 Milliarden Mark besitzen! Und weiter! Wir gaben bisher jähr— 
1Lisch für Wein, Bier, Branntwein usw. gegen drei Milliarden, und für Tabak, 
Zigarren und Zigaretten etwa zwei Milliarden Mark aus. Wir würden 
also die viereinhalb Milliarden schon dadurch aufbringen können, daß wir 
auf Tabak, Bier, Wein usw. verzichten. Also, so groß auch die Summe von 
44 Milliarden Mark sein mag, wir bringen sie spielend auf, bringen auch 
zehn Milliarden und mehr auf, wenn das Vaterland es verlangt. 
Fr. Lemble 
55. Vermißl. 
Christ Kyrie, sei mit uns auf der See. 
Ein Sonderblatt wird ausgehängt. Und die warme Sonne des 
Augustnachmittags läßt die fetten Lettern der Ueberschrift weithin lesbar 
werden: „Schweres Seegefecht bei Helgoland“. Man drängt sich erregt. 
Unsere Flotte im Kampf, zum erstenmal nach den tollen Husarenstreichen 
einzelner Schiffe. Aber man wird recht ernst beim Lesen. „Seiner Majestät 
Schiff „Ariadne“ sank nach ehrenvollem Kampf .. . Auch das Torpedoboot 
D 187 ging, bis zuletzt feuernd, in die Tiefe. Die Kleinen Kreuzer Köln 
und Mainz werden vermißt.“ Still geht man von dannen. Vermißt! Das 
ist das Furchtbare, das Ungewisse. Man überschlägt in Gedanken den Nach— 
satz, daß beide Schiffe „gleichfalls im Kampf mit überlegenen Gegnern ge— 
sunken“, daß ein — unwahrscheinlich kleiner — Teil ihrer Besatzung durch 
englische Schiffe gerettet sei. Um die Vermißten zittert man. Unsere wackeren 
blauen Jungen, unsere braven Seeoffiziere ... 
Ein junger Mann biegt über den Altmarkt herein, mit gesenktem 
Kopf, als trüge er Zentnerlast. Und er trägt auch eine — das federleichte 
Sonderblatt mit der Meldung: Vermißt. Nie vielleicht schritt er dem Eltern— 
haus so zögernd zu. Und es liegt so im Frieden, in Sonne, im Schmuck 
seiner Geranien, das Pfarrhaus hinter der ragenden Kirche. Die Räume 
betritt er, die um den jungen Bruder bei seinen knappen Urlaubstagen so 
köstliches Behagen gebreitet, die mit all den bunten Schätzen seiner ersten 
Seekadettenreise auf ihn warten, und die er vielleicht nie wieder sieht ... 
Die Mutter ist allein. Im Wohnzimmer sitzt sie und schreibt, wie fast wohl 
jeden Tag der letzten Wochen, an ihn, den sie draußen in Gefahren weiß; 
ahnungslos. Da wendet sich der Sohn und läßt das stille Haus im Sonnen⸗ 
frieden und geht mit seiner Zentnerlast davon, zum Nachweiseamt hinüber. 
Zwecklos! Telegramme gibt er ans Marineamt auf ... 
Und dann füllt mit den Schatten, die draußen zu weben beginnen, 
doch eben der Schatten ins sonnige Pfarrhaus. Der Vater kommt vom 
Begräbnis, bleich, verstört: der Kirchner hat es ihm gesagt. Die Verwandten 
kommen. Man sitzt zusammen bis in den sinkenden Abend. Das weiße 
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