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witterten Roch, denn die jungen Offiziere müssen sich vorläufig mit aus—
gedienten Sachen behelfen. „Das ist der Krieg.“ Und immer geht's hin
und her zwischen Emsmündung und Heimathafen, und immer des Nachts
hinaus, oft über Kopf und Hals. Dann heult die Sirene, um die Besatzung
vom Land an Bord zu rufen; und Schüler wie Kadetten greifen flink mit zu.
Ja, immer des Nachts hinaus zu bedrohlicher Arbeit, dem Feind den Weg
zu verlegen. Da hat der Mutter so oft das Herz gezittert. Sie sieht ihren
Jungen auf frostiger Alarmwache oder mit dem Glas vorm Auge oben im
„Krähennest“ Aber immer wieder heißt's: warten. Möven und Blech—
büchsen nur nimmt das ermattete Auge wahr. Und wenn der Gong zum
Alarm ertönt und alles an die Gefechtsplätze eilt — blinder Alarm ist's
gewesen. „Draußen wurde geschossen. Wir gehen sogleich in See. Endlich
einmal wird's etwas geben,“ schließt hoffnungsfroh der eine dieser blauen
Feldbriefe. Und der andere beginnt verzagt: „Es ist wieder nichts gewesen...
Vorhin zog in weiter Ferne „L. 3* vorbei, sonst ist es alle Tage gleich.“ Und
sie hungern doch so nach Kampf. Fast eifersüchtig vermerken sie die Erfolge
der andern, die kühne Tat der „Magdeburg“, die man ihnen kabelt, den
Durchbruch der kleinen „Stralsund“‘: „Könnten wir doch auch mal solchen
5usarenstreich machen!“ Stolz sind sie dabei auf die Schneidigkeit des
Schwesterheeres. „Der Sieg bei Metz. . . Der Kommandant las den Leuten
das Telegramm vor, und ich habe an Vord noch keine drei ßurras so ge—
schrien gehört, wie die auf die Armee!“ „Gestern noch einmal Gottesdienst
und Abendmahlsfeier an Vord ... so weihevoll.“ Es geht um Leben und
Tod. Es geht vielleicht in den Tod. „Wenn Ihr einmal von der „Mainz“
und mir nichts mehr hören solltet, nun so bewahrt mir in der Familie ein
gutes Andenken!‘“ Die „Mainz“ ist das erste Schiff, das hinausgeht. Der
ersten eines vielleicht, das hinuntergeht. Vermißt.
Es fällt manch heißer Tropfen in das blaue Bündel Briefe, auf das
schmale Stücklein Aermelstreifen, die brüchige Beförderungsliste, als die
Mutter das alles wieder in den Kasten schiebt. Dann geht auch dieser
Sonntag zu Ende. Und der Alltag rollt seine immer gleiche Bahn über alle
Schläge und alle Freude. Es ist so ganz wie sonst im Pfarrhaus. Die Sonne
lacht zwischen den Geraniumstöcken herein. Und die Familienglieder gehen
still ihren mancherle? Berufen nach. Nur daß unter den Posteingängen die
blauen Feldpostbriefe mit der großen steilen Handschrift jetzt fehlen. Daß
dann und wann Bekannte kommen mit scheuer Frage: „Noch nichts?“ —
Nein, nichts. Soviel Wege sind eingeschlagen, über Votschaften und Konsulate,
weite beschwerliche Wege. Und keiner führt zum Ziel. Es ist, als ob nie
ein Kreuzer „Mainz“ mit schimmerndem Deck über die Fluten gestrichen wäre.
Es wacht soviel Freundesliebe auf in diesen Tagen. Der Rektor seines
Gymnasiums kommt: „Wir haben seiner in ernster Sedanfeier heute bangen
Herzens gedacht.“ Soviel tätige Liebe, die sich um neue Wege müht. Und
manchmal blitzt auch ein Hoffnungslicht. Sehr, sehr viele sollen gerettet
sein ... Aber Namen fehlen, Namen. Ein einzelner Offizier wird den
Eltern als gerettet gemeldet. Glücklicher Vater..
Dann ist's in tiefer Nacht. Noch sitzt der Vater bei der Arbeit. Noch
bereitet die Mutter still die Liebesgabensendung vor. Da gellt die Haus—