8) Das Zivilprozeßverfahren. Das Zivilprozeßverfahren 
ist durch die Zivilprozeßordnung gesetzlich geregelt. Privatrechtliche und 
bürgerliche Streitigkeiten werden durch das Zivilprozeßverfahren erledigt. 
Einen Prozeß kann jedermann führen, der sich durch Verträge verpflichten 
kann, der also prozeßfähig ist. Beim Amtsgericht braucht der Prozeßführende 
sich nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Er kann seine Ver— 
teidigung entweder selbst führen oder damit jemanden beauftragen, dem er 
Vertrauen schenkt. Beim Landgericht gilt der Anwaltszwang. 
Den Unvermögenden muß ein Rechtsanwalt als Verteidiger gestellt werden. 
Er klagt im Armenrecht. Die Klage zu einem Zivilprozeß kann schriftlich 
eingereicht oder im Gericht zu Protokoll gegeben werden. Die Urschrift der 
Klage muß dem Amtsgericht in zwei Exemplaren eingereicht werden. Die 
Zustellung des Verhandlungstermines erfolgt durch den Gerichtsvollzieher 
oder durch die Post. Zwischen der Zustellung und der Gerichtsverhandlung 
muß eine Einlassungsfrist von drei Tagen liegen. Die Verhandlung einer 
Klage wird mündlich geführt. Als Beweismittel dienen die Zeugen. In 
besonderen Fällen haben die Zeugen das Recht, ihre Aussage zu verweigern 
(Verwandtschaft), Nach erfolgter Verhandlung wird das Urteil gesprochen. 
Gegen das Urteil des Gerichts steht jedem Staatsbürger das Recht der Be— 
schwerde, der Berufung und der Revision zu. 
b) Strafverfahren. Das Strafverfahren regelt sich nach der 
Strafprozeßordnung. Der Gerichtsstand ist bei dem Gerichte, in dessen Be— 
zirk die strafbare Handlung begangen ist, oder wo der Angeschuldigte seinen 
Wohnsitz hat. Die Untersuchung führt der Staatsanwalt. Es sindet zunächst 
ein Ermittelungsverfahren statt. Stellt sich hierbei für den Staatsanwalt 
die Ueberzeugung heraus, daß eine strafbare Handlung vorliegt, so wird 
gegen den Angeschuldigten die Anklage erhoben. Liegt der Verdacht vor, 
daß der Angeschuldigte sich durch hie Flucht der Strafverfolgung entziehen 
könnte, so verfügt der Staatsanwalt die Untersuchungshaft. Die Anklage 
wird dem Gerichte zugestellt und dies führt nunmehr die Hauptverhandlung, 
die mit der Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung) fortgesetzt wird und mit 
dem Gerichtsurteil schließt. Den Verurteilten stehen die Rechtsmittel Ve— 
rufung, Beschwerde und Revision zu. 
H. Otto in „Bürgerlunde“. 2. Auflage. Berlin 1914 
93. Steuern. 
Die Klagen über den Druck der Steuern sind im bürgerlichen Leben 
häufige Erscheinungen. Abgaben empfinden wir ja immerhin als eine Last 
Von dem Ertrage der Arbeit, des Geschäftes, von seinem Vermögen gibt man 
ungern hin. Ohne diese Einnahme aber wäre das Bestehen des Staates 
ernstlich in Frage gestellt. Was ist denn der Staat? Er bildet gleichsam 
eine gewaltige Familie, die Vereinigung einer Menschenmenge, die durch 
Sprache, Abstammung usw. verbunden ist. Sind nun im kleinen Haushalte 
stetige Einnahmen und Ausgaben notwendig, dann sicherlich hier. Wo sich 
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