Full text: Auswahl deutscher Gedichte

Deutsche Dichtung der Gegenwart feit 1830 
Erst Gott zum Gruß, wers lieset! Auf, Deutscher, kühn und wert 
Hier harrt ein Schild des deinen, wenn lampfesfroh dein Schwert 
Und magst du mich bezwingen nach Rittersbrauch und Recht, 
Will ich mich dir berdingen als letzter Rüdenknecht.“ 
Ernst schritt der König fürder; doch an des Ritters Schild 
Hängt bald ein Edelknappe der Habsburg Wappenbild; 
Und mit dem Frührot harrte auf sandgem Kampfesplan 
Der König gegenüber dem fränk'schen Rittersmann. 
Und höher stieg die Sonne; der Franzmann lag im Sand, 
Das Siegisschwert, hell und leuchtend, ragt hoch in Maxens Hand. 
So schlaͤgt ein deulscher Ritter!“ er sprach's und stand verklaͤrt, 
Wie Santt Michael der Sieger mit seinem Flammenschwert. 
„Ihr habt Euch mir ergeben als letzter Rüdenknecht, 
Vohlan! Ihr sollt erfahren nun meines Amtes Recht!“ 
Sein Schwert nun schwang er dreimal: „Steht auf, mein Ritter wert 
So schlägt ein deutscher König, — seid brav wie Euer Schwert! 
Singt's allem Land, ihr Sänger, des Fürsten Tat und Wort, 
Neigt cuer Schwert, ihr Ritter, dor eures Kaisers Hort! 
Bekränzt des Siegers Schläfe, ihr schönsten deutschen Frau'n, 
Jauchzi auf, ihr deutschen Herzen, in allen deulschen Gau'n! — 
Viel saftge Trauben schwellen ringgher um Worms am Rhein; 
„Milch unsrer lieben Frauen,“ so helßt dort jener Wein; 
Saugt jene Milch, ihr Greise, sie macht euch wieder zum Kind, 
O Herr, gib unserni Lande viel Milch so süß und lind! 
Aus Goldgefäßen quoll sie an Maxens Abendtisch, 
Gleichwie aus goldnen Eutern, so labend, klar und frisch; 
Vie zecht an Maxens Seite der fränkssche Rittersmann, 
Wie wärmend da der Glühborn durch Kunzens Kehle rann! 
Der Franzmann hob den Becher, begeistert flammt sein Blut: 
„Heil, Max, dir, edler Deutscher, so bieder und so gut!“ 
„Hoho!“ rief Kunz halb grimmig, „jetzt bindet mit mir an, 
Wer auf dies Wohl herzinn'ger und besser trinken kann!“ 
Wie Schilder klangen die Becher zusammen jetzt mit Macht, 
Die Blicke blitzten genüber, wie Lanzen in der Schlacht. 
Wer Sieger buͤeb im Wetikampf? wohl kam es nie ans Licht; 
Frug man am Morgen die beiden, sie wußten's selber nicht. 
Anastasius Grun. 
203. Max und Dürer. 
Fürst, Troßbub, Ritter, Gauner, durchwimmelnd Augsburgs Straßen, 
Im Saal die Reichsherrn zankend, und zankend Volk auf den Straßen, 
Hier doppelt volle Schenken, dort Armut rings im Land: 
Wie mögt ihr solches heißen? — Reichstag wars deutsch genannt. 
Max sah vom Fenster düster ins tolle Gewühl hinein 
Da trat in schlichlem Wamse ein Mann gar schüchtern ein. 
„Gott grüß dich, Meister Dürer!“ rief Max so freudig schnell 
Wie kommt die Kunst zum Reichstag! nach Babel zum Avell?
	        
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