Poetik. *11
Die echte deutsche Liedstrophe zerfiel von jeher in zwei, genauer in drei
Teile namlich in zwei den Aufgesang bildende Sto Ten, denen als dritter
gleiner Tei der Waesang solgt, jene hervorhebend und zusammenfassend
Belspiel:
Von der Elbe bis zum Rhein
Au nd zurück bis an der Ungarn Land,
aelens: Da mögen wohl die besten sein,
Die ich irgend auf der Erde fand.
Weiß ich recht zu schauen
Abgesang: Schönheit, Huld und Zier,
gesang: Iuf nir Go so schwor ich, sie sind besser hier,
Als der andern Länder Frauen.
(Walther v. d. Vogelweide.)
Ein feste burg ist vnser Gott,
oder: ein gute wehr vnd waffen.
Aufgesang: Er hilfft vnns frey aus aller not,
die bnns ytzt hat betroffen.
der alte böse feind
mit ernst ers ytzt meint,
Abgesang:; ros macht vnd viel list
7 graufam rüstung ist,
auff erd ist nicht seins gleichen. Or. M. Luther.)
In ähnlicher Weise finden wir noch viele andere geistliche, ebenso aber auch nicht
wenig ältere weltliche vieder (3. B. Prin, Eugenius ꝛc), und aus neuerer Zeit mehrere
Schilersche Balladen (z. B. der Taucher ꝛe.), eingerichtet, obwohl im allgemeinen
dies Gesetz nicht beachtet werden pflegt. Zabl Maß und Reimverbindung
geben vielmehr in der Gegenwart meist die Kriterien für die Bezeichnung der
Strophen ab.
Der Reim zumal ist das Hauptverbindungsmittel der Verse wie der Strophen
und darum sei hier gleich das Wichtigste
vom Reime
vorgebracht.
Her Reim oder Gleichlaut ist das euphonische Element in der deutschen
Boesie und aus dem Bestreben entstanden, in einer angenehmen, einschmeichelnden
Weise n inneren Zusammenhang sprachlich verknüpfter Vorstellungen eindringlicher
zu machen.
Solcher Gleichlaut nun besteht
a) in dem Gleichklange der Konsonanten im Anfange mehrerer Wörter
und Silben, seit uralten Zeiten bekannt unter dem Namen: Alliteration
Buchstabenreim, Stabreim); —
B. Zogernd kommt die utnnt angezogen ꝛc. Schiller.)
oͤder: Woͤhl schwellen die Wasser, wohl hebet sich Wind;
Doch Winde verwehen, doch Wasser verrinnt,
Wie Wind und wie Wasser ist weiblicher Sinn. Bürger)
b) in dem Gleichklange der Vokale in den betonten Silben mehrerer
Worter (Assonanz); z. B:
Langes Bangen wird Verlangen,
Soll erlangen, was ihm blüht ꝛc. (v. Löben)
e) in der Verbindung der Alliteration und der Assonanz; siehe
oben „Annomination.“
n dem Gleichklange nicht nur der Vokale der letztbetonten Silben ein⸗
nr Woͤrier, sondern auch der Konsonanten; sowie der etwa folgenden ton⸗
sen Silben (eigentlicher Reim); 3. B. Gut — Blut:; weit — breit; sagen
— wagen ꝛ.