Full text: Vom goldnen Überfluß

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Und wie der Menschenstrom mich fortgespült, 
drang mir ein heiser Stimmlein in das Ohr: 
„Kauft, lieber Herr!“ Ein magres Händchen hielt 
feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor. 
Ich schrak empor, und beim LCaternenschein 
sah ich ein bleiches Kinderangesicht; 
wes Alters und Geschlechts es mochte sein, 
erkannt' ich im Vorübertreiben nicht. 
Nur von dem Treppenstein, darauf es saß, 
noch immer hört' ich, mühsam, wie es schien: 
„Kauft, lieber Herr!“ den Ruf ohn' Unterlaß; 
doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn. 
Und ich? — War's Ungeschick, war es die Scham, 
am Weg zu handeln mit dem Bettelkind “ 
Eh' meine Hand zu meiner Börse kam, 
verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind. 
Doch als ich endlich war mit mir allein, 
erfaßte mich die Angst im Herzen so, 
als säß mein eigen Kind auf jenem Stein 
und schrie nach Brot, indessen ich entfloh. 
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Abschied. 
1853. 
Kein Wort, auch nicht das kleinste, kann ich sagen, 
wozu das Herz den vollen Schlag verwehrt; 
die Stunde drängt, gerüstet steht der Wagen, 
es ist die Fahrt der Heimat abgekehrt. 
Geht immerhin — denn eure Tat ist euer — 
und widerruft, was einst das Herz gebot; 
und kauft, wenn dieser Preis euch nicht zu teuer, 
dafür euch in der Heimat euer Brot! 
Theodor Storm. 
7.
	        
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