Erzählende Gedichte.
16. Er stieg von seinem Throne, Kein Blitz zuckt ihm entgegen,
Zu Boden warf er sich, Es legt sich nur der Staub,
Bleich wurde da die Krone — Es säuselt nur der Regen
Der Sonne Schimmer wich; Still durch der Bäume Laub.
Und wie er vor dem Volke
Inbrünstig betend fleht, 19. Die Menge staunt und lauschet,
Da flog empor als Wolke Der Wind kühlt ab die Glut,
Sein heiliges Gebet. Der Regen strömt und rauschet,
Er wird zu Guß und Flut;
17. Er sprach: „Ihr Götter, funden Durch Bart und graue Locken
Hab' ich das Opfer gut, Der Strom dem König quillt,
Man heilt des Volkes Wunden Sein Auge bleibt nicht trocken,
Nicht mit des Volkes Blut. Von sel'ger Trän' es schwillt.
Empfangt, empfangt mein Leben
Und laßt von eurem Sitz 20. Die Vögel fangen zu singen,
Die Wolken segnend beben, Die Kräuter zu duften an,
Mir aber schickt den Blitz.“ Der Fluß sich zu schwellen, zu schlingen
In seiner alten Bahn.
18. Und als er aufstand fertig, Es tönen der Priester Lieder,
Den Tod erflehend als Gunst, Der Dichter Harfe klingt,
Umarmt' allgegenwärtig Das Volk, es wirft sich nieder,
Den Himmel dunkler Dunst. Den Scepter der König schwingt.
Schwab.
200. Der König in Thule.
1. Es war ein König in Thule, 4. Er saß beim Königsmahle,
Gar treu bis an das Grab, Die Ritter um ihn her,
Dem sterbend seine Buhle Auf hohem Vätersaale
Einen goldnen Becher gab. Dort auf dem Schloß am Meer.
2. Es ging ihm nichts darüber, 5. Dort stand der alte Zecher,
Er leert ihn jeden Schmaus; Trank letzte Lebensglut
Die Augen gingen ihm über, Und warf den heil'gen Becher
So oft er trank daraus. Hinunter in die Flut.
3. Und als er kam zu sterben, 6. Er sah ihn stürzen, trinken
Zählt' er seine Städt' im Reich, Und sinken tief ins Meer.
Gönnt' alles seinem Erben, Die Augen täten ihm sinken;
Den Becher nicht zugleich. Trank nie einen Tropfen mehr.
Hoethe.
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