Full text: Sammlung deutscher Gedichte für Schule und Haus

Gleichnisse, Rätsel, Sinnbilder. 
Ja, so weit sie wandernd kreiste, 
Fand sie Elend überall, 
Und in ihrem großen Geiste 
Jammert sie des Menschen Fall. 
5. „Find' ich so den Menschen wieder, 
Dem wir unser Bild geliehn, 
Dessen schöngestalte Glieder 
Droben im Olympus blühn? 
Gaben wir ihm zum Besitze 
Nicht der Erde Götterschoß, 
Und auf seinem Königsitze 
Schweift er elend, heimatlos? 
6. „Fühlt kein Gott mit ihm Erbarmen? 
Keiner aus der Sel'gen Chor 
Hebet ihn mit Wunderarmen 
Aus der tiefen Schmach empor? 
In des Himmels sel'gen Höhen 
Rühret sie nicht fremder Schmerz, 
Doch der Menschheit Angst und Wehen 
Fühlet mein gequältes Herz. 
7. „Daß der Mensch zum Menschen werde, 
Stift' er einen ew'gen Bund 
Gläubig mit der frommen Erde, 
Seinem mütterlichen Grund, 
Ehre das Gesetz der Zeiten 
Und der Monde heil'gen Gang, 
Welche still gemessen schreiten 
Im melodischen Gesang.“ 
8. Und den Nebel teilt sie leise, 
Der den Blicken sie verhüllt; 
Plötzlich in der Wilden Kreise 
Steht sie da, ein Götterbild. 
Schwelgend bei dem Siegesmahle 
Findet sie die rohe Schar, 
Und die blutgefüllte Schale 
Bringt man ihr zum Opfer dar. 
9. Aber schaudernd, mit Entsetzen 
Wendet sie sich weg und spricht: 
„Blut'ge Tigermahle netzen 
Eines Gottes Lippen nicht. 
Reine Opfer will er haben, 
Früchte, die der Herbst beschert; 
Mit des Feldes frommen Gaben 
Wird der Heilige verehrt.“ 
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