Full text: [Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj] (Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj)

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7. Seht, unsre besten Tage, die waren nun dahin; 
der Franz lag meiner Alten zu sehr in Herz und Sinn. 
Sie konnt' sich nicht mehr freuen, ich konnt' es auch nicht mehr; 
Gott hat sie heut erlöset von Jammer und Beschwer. 
6. Seht, Nachbar, nun beginn' ich die Linde umzuhaun; 
ich will für meine Alte draus einen Sarg erbaun; 
ich hab' den Baum gemessen, wohl hält er Holz zu zwei'n; 
bald zimmr' ich auch den andern, und Ihr — legt mich hinein." 
Franz Honcamp. 
18. Cin Brief aus Amerika. 
1. Nun liegt der Schnee so hoch, daß die Kinder kaum zur Schule 
kommen können, und ein eisiger Wind heult ums Haus und stäubt Wolken 
von feinem Schnee von den Dächern. 
Das Fenster in der Stube ist den ganzen Tag nicht abgetaut, trotzdem 
der kleine Kanonenofen in einem fort glüht. 
O weh! Solch Wetter reißt ein Loch in die Feuerung! Und der Vater 
sitzt am Ofen und blickt in die Glut und wärmt seine steifgefrornen Finger. 
Er ist eben nach Hause gekommen und hat sich noch nicht ganz durch¬ 
gewärmt. 
Ach, trotz der Kälte, trotz Schnee und eisigem Ostwind — der Vater 
hat's gut! Kommt er heim, findet er eine warme Stube, eine heiße Tasse 
Kaffee und fröhliche Gesichter. Und die Mutter kommt mit der Lampe, 
und die Zeitung liegt auf dem Tische, und die Katze schnurrt, und der 
kleine Karl spielt Post — — 
2. Aber heute morgen! — Da hatte der Vater einen dicken Brief 
zu bestellen; der Umschlag war kreuz und quer mit einem Blaustifte be¬ 
schrieben, so daß die Adresse kaum zu lesen war. Za, der Brief hatte 
schon eine weite Reise gemacht. Übers große Wasser war er gekommen, 
von Amerika. 
Der Vater hatte drei Treppen hinaufsteigen müssen, bis er unter 
das Dach des Hauses kam. Dort oben in einer Bodenkammer wohnte eine 
alte Frau, die mochte schon an die siebzig Zähre alt sein. Zm Zimmer 
war's kalt und der Ofen schwarz. Auf einer kleinen Petroleummaschine 
kochten Kartoffeln. 
„Ein Brief aus Amerika, Frau Behrens!" rief der Vater und hielt 
der alten Frau den Brief hin. 
„Für mich?" fragte sie ungläubig. 
„Jawohl, an Frau Witwe Behrens. Hier fteht's!" 
Da nahm Frau Behrens den Brief und suchte nach einem Trinkgelde
	        
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