Full text: Auswahl deutscher Dichtungen aus dem Mittelalter

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11. Mit dir kann ich nicht reiten. 12. Allein leg du dich nieder, 
Dein Haus es ist nicht breit, Herzallerliebster, schlaf 
Der Weg ist auch zu weit. Bis an den jüngsten Tag!“ 
Vom unschuldigen Tod des jungen Knaben. 
1. Es liegt ein Schloß in 8. Man bracht den Knaben wohl 
Oestereich, aus dem Thurm 
Das ist ganz wohl erbauet Und gab ihm das Sakramente: 
Von Silber und von rothem Gold, Hilf, reicher Christ vom Himmel 
Mit Marmorstein vermauert. hoch! 
2. Darinnen liegt ein junger „Es geht mir an mein Ende!“ 
Knab' 9. Man bracht' den Knaben zum 
Auf seinen Hals gefangen, Gericht hinaus, 
Wohl vierzig Klafter tiefunter der Erd,, Die Leiter mußt er steigen: 
Bei Nattern und bei Schlangen. „Ach Meister, lieber Meister mein, 
3. Sein Vater kam von Rosen- Laß mir doch eine kleine Weile!“ 
berg 10. Eine kleine Weile die laß 
Wohl vor den Thurm gegangen; ich dir nicht; 
„Ach Sohne, lieber Sohne mein, Du möchtst mir sonst entrinnen. 
Wie hart liegst du gefangen!“ Langt mir ein seiden Tüchlein her, 
4. Ach! Vater, liebster Vater Daß ich ihm sein' Augen verbinde. 
mein, 11. „Ach! meine Augen ver— 
Gar hart lieg ich gefangen, binde mir nicht, 
Wohl vierzig Klafter tief unter der Ich muß die Welt anschauen; 
Erd', „Ich seh' sie heut und nimmer— 
Bei Nattern und bei Schlangen. mehr, 
5. Sein Vater zu dem Herren Mit meinen schwarzbraunn Augen.“ 
ging;: 12. Seim Vater beim Gerichte 
„Gebt mir los den Gefang'nen; stund, 
Dreihundert Gulden will ich euch Sein Herz wollt' ihm zerbrechen: 
geben, „Ach Sohne, lieber Sohne mein, 
„Wohl für des Knaben sein Leben“ Deinen Tod will ich rächen.“ 
6. Dreihundert Gulden, die hel 13. Ach Vater, liebster Vater 
fen da nicht, mein, 
Der Knabe der muß sterben, Meinen Tod sollt Ihr nicht rächen, 
Er trägt von vel Ketten am Bringt meiner Seelen ein schwere 
a 8, Pein, 
Die bringt ihn um sein Leben. Um Unschuld will ich sterben. 
7. „Trägt er von Gold ein 14. Es ist nicht um das Leben 
Ketten am Hals, mein, 
„Die hat er nicht gestohlen; Noch um mein'n stolzen Leib 
„Es hat sie ihm ein zart Junge Es ist um meine Frau Mutter 
fräulein verehrt, daheim, 
„Dazu hat sie ihn erzogen.“ Die weint allzusre. 
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