Full text: Des Mägdleins Dichterwald

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Die ferne schwebet in dem Meere, Die Seele ist dann reisefertig, 
Weit an dem Ende aller Welt, Du trägst sie in ein andres Haus. 
In die aus hoher luft'ger Leere O Mutter Erde, laß dich grüßen, 
Die Sonne wie ein Same fällt. Du trugst mich treu in stiller Qual, 
Es glüht auf seiner blassen Wange Laß deine kühlen Lippen küssen, 
Nun eine Röthe wunderbar, Hast andre Kinder ohne Zahl; 
Es schwebt sein Ohr in tiefem Klange, Doch ich gehör' dem Vaterlande, 
Es wird sein Auge ihm so klar, Dem Vater überm Erdenthal, 
Es glänzt auf seinem stillen Herzen Es lösen sich die alten Bande, 
Ein Regenbogen wie ein Strauß, Reich mir die Hand zum letztenmal. 
Der hal verkündet seine Schmerzen Er kann sich selber nicht begreifen, 
Hoch in des Himmels sel'gem Haus. Es wird ihm wohl, so auf einmal; 
BDem Himmel hat er ihn verbunden, Da sieht er dann die Engel schweifen 
Zeigt ihm das offne Himmelsthor, Auf seines Thränenbogens Strahl, 
Er schauet nun in Schmerzensstunden, Wie sie die bunten Flügel schlagen, 
Was Lust ihm nie gezeigt zuvor; Daß jede Farbe klingt im Glanz; 
Wie kann er nun die Welt verschmerzen, Er fühlt von ihnen sich getragen, 
Ihm ist verschwunden aller Graus, Den Fuß bewegt in ihrem Tanz. 
Sein Herz, gebrochen einst in Schmerzen, Was ihm das Herz sonst abgestoßen, 
Sieht froh die Witterung voraus. Das singt er jetzt mit kaltem Blut; 
Er sieht voraus die Liebestage, Sein Blut hal sich in Lieb ergoßen, 
Wo Hand in Hand sich gern ergeht, Und keine Furcht beschränkt den Muth; 
Manch Mädchen zeigt die Hand zur Frage, Wo sich das Auge sonst geschloßen, 
Weil er die Linien jetzt versteht; Da hebt es nun den Blick von hier. 
Des Knaben Ruf ist weit erschollen, Er ruft: Der Himmel ist erschloßen, 
Denn jeder fragt nach Witterung, Ich fürchte mich nicht mehr vor mir. 
Die Alten, weil sie ernten wollen, Da ruͤft er wonnig allen Lieben: 
Und weil sich lieben, die noch jung. Es kommt ein Tag, wie's keinen gab, 
Jetzt hat der Schlaf ihn fest umfangen, Die Ernte dürft ihr nicht verschieben, 
Da nimmt die Mutter seine Hand, Die Liebe greift zum Wanderstab!' 
Da sieht er all, was ihm vergangen, Er ruft: Brich an, du Tag der Sage, 
Und seine Zukunft er drin fand: Der ew'ges Weiter mir verspricht! 
O Liebe, wo du gegenwärtig, Sein Hetz schläft ein — am jüngsten Tage 
Da ist das eigne Leben aus, Erwacht es rein zum Weltgericht. 
Das einzige Kind. 
Von Karl Stelter. 
Gedichte 2. Aufl. Leipzig 1862. S. 99. 
Einz'ge Hoffnung deiner Lieben, Früuh, zu früh nach Menschenwißen, 
Sinkst auf ewig du hinab? Belten wir dich heute kühl, 
Ist denn nichts von dir geblieben? Und was uns in dir entrißen, 
Raubt denn alles dieses Grab? — Nennt kein Wort; nur das Gefühl, 
Kind, in deiner Jugendblüte Nur der Schmerz, der dich Verlornen 
Knickte dich der wilde Föhn, In zerrißner Brust beweint, 
Schloß das Aug', das Flammen sprühte, Nennt dich seinen Leiderkornen, 
Das so klar einst und so schön. Dem die Sonne nicht mehr scheint. 
Mußte dein so junges Leben, Trost — ich mag das Wort nicht nennen — 
Das der Freuden viel versprach, Giebt es Trost für solchen Schmerz? 
Als du dich entfaltet eben, Leere Trostesworte brennen 
Finden schon den letzten Tag? — Glühend nur das kranke Herz. 
Deine Zukunft, die so heiter, Nur die Zeit, die schmerzenlose, 
Freundlich lächelnd dir gestrahlt — Wird auch hier das Ihre thun; 
Größer hatt' ich mir und weiter Klaget nicht, und laßt die Rose 
Deine Lebensbahn gemalt! Still in ihrem Grabe ruhn! 
Auff den Tod eines Mägdleins. 
Von Paul Fleming. 
Teutsche Poemata. Lübeck (1642). S. 3824. Gelürzt.) 
Ists denn wieder schon verlohren? Ja. So hald es vor ist kommen, 
war es doch kaum recht gebohren So bald ist es auch genommen. 
das geliebte schöne Kind. Schaut doch, was wir Menschen sind.
	        
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