Full text: Deutsche Poesie von den Romantikern bis auf die Gegenwart

1 Joseph Freiherr von Zedlitz. 
3. Sie flattert fort, sie fliegt umher 5. Dann träumest du und schlummerst 
Vereinsamt auf den weiten Auen; fest, 
Du weißt es nicht: es ist so schwer, Wenn noch die Schwalbe schweift und 
Die neue Heimat sich zu bauen. irret, 
Ach! und um ihr zerstörtes Nest 
4. Was Heimat ist es Mit heimatlosem Flügel schwirret, 
Kommt dir die Mutter nicht ent— 6. Wenn ich in düstrer Mitternacht 
gegen? Vereinsamt schweife vor den Toren 
Wird sie zu Nacht auf weichem Flaun Und an das Vaterhaus gedacht, 
Dein Köpfchen nicht zur Ruhe legen? Das ich verlassen und verloren. 
Joseph Freiherr von Zedlitz. 
399. Die nächtliche Heerschau. 
(1829.) 
1. Nachts, um die zwölfte Stunde, Die blutigen, alten Schwadronen 
Verläßt der Tambour sein Grab, In Waffen mancherlei. 
Macht mit der Trommel die Runde, 8. Es ari e 
s .Es grinsen die weißen Schädel 
Geht wirbelnd auf und ab. Wohl nter dem Helm hervor 
2. Mit seinen entfleischten Armen Es halten die Knochenhände 
Rührt er die Schlegel zugleich, Die langen Schwerter empor. 
in n n nlbeh 9. Und um die zwölfte Stunde 
n p Verläßt der Feldherr sein Grab, 
3. Die Trommel klinget seltsam, Kommt langsam hergeritten, 
Hat gar einen starken Ton; Umgeben von seinem Stab. 
Die alten, toten Soldaten lin 5 
10. Er trägt ein kleines Hütchen, 
Erwachen im Grab davon. Er lahl ein dnah len 
4. Und die im tiefen Norden Und einen kleinen Degen 
Erstarrt in Schnee und Eis, Trägt er an seiner Seit'. 
Und die in Welschland liegen 
ti 11. Der Mond mit gelbem Lichte 
Wo lhneln die Erde gu beiß⸗ Erhellt den weiten Plan; 
5. Und die der Nilschlamm decket Der Mann im kleinen Hütchen 
Und der arabische Sand: Sieht sich die Truppen an. 
Sie steigen aus ihren Gräbern; 1. Die Reihen pruscnller 
l— ee 9 n präsentieren 
Sie nehmen 's Gewehr zur Hand. Und schutern das Gewehr, 
6. Und um die zwölfte Stunde Dann zieht mit klingendem Spiele 
Verläßt der Trompeter sein Grab Vorüber das ganze Heer. 
n n in a 13. Die Marschäll' und Generale 
dab Schließen um ihn einen Kreis; 
7. Da kommen auf luftigen Pferden Der Feldherr sagt dem Nächsten 
Die toten Reiter herbei, Ins Ohr ein Wörtlein leis. 
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