Full text: Deutsche Poesie von den Romantikern bis auf die Gegenwart

4 Gottfried Keller. 
3. Doch wenn in meines Landes Bann 
Der Knechtschaft verheerende Löwin fällt, 
Dann zünd' ich selber die Heimstatt an 
Und ziehe hinaus in die weite Welt. 
4. Hinaus in die Welt, in das finstere Reich, 
Zu dienen im Dunkel dem fremden Mann, 
Ein armer Gesell, der die Sterne bleich 
Der Heimat nimmer vergessen kann! 
667. Sommernacht. 
1. Es wallt das Korn weit in die Runde, 
Und wie ein Meer dehnt es sich aus; 
Doch liegt auf seinem stillen Grunde 
Nicht Seegewürm noch andrer Graus. 
Da träumen Blumen nur von Kränzen 
Und trinken der Gestirne Schein; 
O gold'nes Meer, dein friedlich Glänzen 
Saugt meine Seele gierig ein! 
2. In meiner Heimat grünen Talen, 
Da herrscht ein alter, schöner Brauch; 
Wann hell die Sommersterne strahlen, 
Der Glühwurm schimmert durch den Strauch, 
Dann geht ein Flüstern und ein Winken, 
Das sich dem Ahrenfelde naht; 
Da geht ein nächtlich Silberblinken 
Von Sicheln durch die gold'ne Saat. 
3. Das sind die Bursche, jung und wacker, 
Die sammeln sich im Feld zuhauf 
Und suchen den gereiften Acker 
Der Witwe oder Waise auf, 
Die keines Vaters, keiner Brüder 
Und keines Knechtes Hilfe weiß; 
Ihr schneiden sie den Segen nieder; 
Die reinste Lust ziert ihren Fleiß. 
4. Schon sind die Garben festgebunden 
Und rasch in einen Ring gebracht; 
Wie lieblich flohn die kurzen Stunden! 
Es war ein Spiel in kühler Nacht. 
Nun wird geschwärmt und hell gesungen 
Im Garbenkreis, bis Morgenluft 
Die nimmermüden, braunen Jungen 
Zur eignen schweren Arbeit ruft. 
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