Object: Charakterbilder aus der Geschichte der christlichen Reiche (Band 2)

Gregor I. schickt römische Missionäre nach England. 
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eines echten Römers vor, der aus ihm auch durch die Ausdauer und Zähigkeit seines Willens 
und durch die übrigen Eigenschaften seiner Herrschernatur im Leben sprach. So streng und 
unnachgiebig er sich zeigte, wenn es sich um Durchführung seiner Grundsätze handelte, so 
nachsichtig ließ er sich gegen die Reuigen finden, so herablassend und liebevoll war er gegen 
Schwache und Leidende, wie denn tiefe Demut unter seinen Tugenden die hervorstrahlendste 
war. Wohltätigkeit und Gastfreundschaft übte er in solchem Umfange, daß sich in späteren 
Zeiten eine Menge lieblicher Legenden an diesen Zug seines Charakters geknüpft haben. 
Die Bekehrung der Angelsachsen. 
Erhebend ist die Bekehrungsgeschichte der Angelsachsen — so nannte man die in Bri¬ 
tannien eingewanderten germanischen Stämme, da die Angeln und Sachsen die Mehrzahl 
bildeten. 
Man sollte vermuten, die Briten hätten, besiegt durch das Schwert der Angelsachsen, 
die Sieger unter das geistige Schwert des göttlichen Wortes zu beugen gesucht. Allein sie 
taten nichts, um ihre Feinde und Herren zu Brüdern und Freunden in Christo umzuwandeln. 
Gewiß ist es, daß sie im allgemeinen keine andern Gedanken und Gefühle gegen ihre Über¬ 
winder in sich auskommen ließen als die eines tötlichen Hasses und einer ohnmächtigen Rache 
und daß es ihnen sehr an großen und edlen Männern mangelte, welche auf die Feinde die 
Segnungen des Christentums auszugießen bereit gewesen wären. 
Wenn aber die Briten ihren Feinden die frohe Botschaft vorenthielten, so war in 
weiter Ferne ein Mann um das Seelenheil der Angelsachsen besorgt, der seiner Stellung 
nach den hohem Auftrag hatte, die Gesamtheit der christlichen Völker zu leiten nnd auch 
die noch nicht bekehrten Nationen auf die himmlische Weide zu führen. Dieser Mann war 
Papst Gregor I. Es drängte ihn, mit den ihm übergebenen Schlüsseln des Himmelreiches 
allen das Heiligtum auszuschließen, die noch außerhalb desselben standen; immer durch¬ 
drängen seine große Seele die Worte des guten Hirten: „Weide meine Lämmer, weide meine 
Schafe!" Seine weltumfassende Sorgfalt führte feinen Geist auch auf die britische Insel. 
Hier sah er tapfere Bewohner noch von der Nacht des Heidentnms umfangen und sie zu 
bekehren, war der erste Gedanke, der sich an die Betrachtung ihres traurigen Zustandes 
knüpfte. Als Gregor den Presbyter Candidus zur Verwaltung der römischen Kirchengütev 
nach Gallien sandte, befahl er ihm, die Einkünfte derselben entweder zur Bekleidung der 
Armen zn verwenden oder damit junge englische Sklaven von 17—18 Jahren anzukaufen. 
Diese sollten in den italienischen Klöstern im Christentum unterrichtet und dann zur Bekeh¬ 
rung ihres Volkes in ihr Vaterland zurückgeschickt werden. Doch bald führte der Papst den 
lang gehegten Plan der Christianisierung Englands in anderer Weise aus. Er beschloß, 
römische Missionäre dorthin zn senden. Zum Haupt dieser Mission ersah er den Propst 
seines Klosters St. Andreas in Rom, Namens Augustinus, und gesellte ihm einige Mönche 
von bewährter Weisheit und Tugend bei. Sie reisten zu Anfang des Jahres 596 von 
Rom ab. Aber so mutig sie zu ihrem Werke ausgegangen waren, ließen sie sich dennoch 
einschüchtern; überall hörten sie von der Grausamkeit der Engländer, von der Roheit ihrer 
Sitten, von der Schwierigkeit, ihre Sprache zu erlernen, und von den Gefahren des Meeres 
erzählen. Das brach ihren Mut und sie schickten von Lerin in Gallien aus Augustinus 
mit der Bitte an Papst Gregor zurück, er mochte ihnen die Rückkehr nach Rom gestatten.
	        
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