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Kapitel XIV.
Kunst, Dichtung und Wissenschaft.
Perikleisches Zeitalter.
§ 34. Bauten, Architektur und Skulptur.
Durch Perikies wurde Athen zur schönsten Stadt in Hellas umgeschaffen.
Schon Kimon hatte den Kerameikos mit Platanen bepflanzt und nach
ionischem Muster mit Hermenreihen und Säulenhallen geschmückt. Die von
seinem Schwager Peisiänax erbaute Stoa Poikile wurde um 457 von dem
aus Thasos stammenden Polygnötos, der in Delphi eine Halle mit Ge¬
mälden der Zerstörung Troias und der Unterwelt schmückte, im Verein mit
Mikon und Panänos, durch Darstellungen der Kämpfe gegen die Amazonen,
Troer und Perser verschönt. Auch errichtete Kimon im äussern Kera¬
meikos am Dipylon einen Staatsfriedhof für die im Kampf gefallenen Bürger
und das Gymnasium der Akademie mit seinen schattigen Anlagen. Unter
Perikies wurde durch den milesischen Baumeister Hippodämos die
moderne Stadt des Piräeus mit geraden Strassenlinien und stattlicheren
Privathäusern ausgebaut. Um 431 war auch die „südliche“ zum Hafen
Munichia führende Parallelmauer fertig. So waren Hafenstadt und
Oberstadt durch die „Schenkel“ zu einem befestigten Ganzen verbunden.
Am Südostabhange der Burg östlich vom Dionysostheater erbaute Perikies
das 0 d e i o n, einen mit einem Holzdach versehenen kreisförmigen Bau mit
einer vom Theater wesentlich abweichenden Einrichtung, bestimmt für musi¬
kalische Agonen (bis jetzt ist nichts davon wiederaufgefunden). Auch der
Bau des noch guterhaltenen, nordwestlich vom Areopag gelegenen The-
seions gehört wohl erst in die Zeit der perikleischen Staatsleitung. Vor
allem aber wurde die Akropolis, nur äusserlich Festung bleibend, zu
einem kunstvollen Weihgeschenk umgeschaffen, „ein Museum durch den
reichen Bilderschmuck ihrer Bauten und den Wald von Weihgeschenken,
in welche die grössten Meister der Blütezeit ihre beste Kraft ausströmten“,
und eine „Götterversammlung, ein attisches Pantheon, da fast alle Landes¬
götter auf ihr selbst oder innerhalb der geweihten Zone zu ihren Füssen
frommen Opferdienst empfingen“. Das Hauptbauwerk war der 447—438 auf
der höchsten Stelle erbaute Tempel der Athena, der Parthenon1), in der
Hauptsache ein dorischer PeriptSros mit 8 Säulen in der Front und 17 Säulen
an den Langseiten, errichtet auf dem Fundament des unvollendeten älteren
Parthenons, dessen Bau Kimon oder nach der neuesten Annahme Themistokles
begonnen hatte, mit Erweiterung der Cella, einiger Verschiebung nach Norden
und Kürzung in der Länge um mindestens 6 m. Baumeister waren Iktmos
und Kallikrätes. Der Parthenon wurde aber, wohl wider die Absicht des
Perikies, nicht Hauptsitz des Kultes der Landesgöttin. Das alte Bild der
„Polias“ verblieb in dem alten Tempel, der dem Nordrand der Burg zu lag;
x) Nach neuester Annahme bezog sich der Name in seiner ursprünglichen
engeren Verwendung für die Hinter(West)cella nicht auf die Jungfrau Athene,
sondern auf die im Kult mit ihr vereinigten Jungfrauen, die Töchter des
Kekrops und des Erechtheus u. a. Ob der „Opisthodom“, der als Schatz¬
kammer der Athena wie auch „der anderen Götter“ diente, die Hintercella
des Parthenons oder ein eigenes Gebäude war, ist strittig.