Full text: [Teil 8 = Klasse 2, [Schülerband]] (Teil 8 = Klasse 2, [Schülerband])

und Blumenformen abgesetzt. Begeistert rief er seine Nächsten zusammen, 
zeigte ihnen dieses Schauspiel, ließ eine brennende Kerze bringen und 
drückte mit Feierlichkeit sein Wappen in Siegellack auf den Pfropfen, 
damit kein Zufall diese Erscheinung zerstören möge. Napoleons Gips¬ 
abdruck fiel am Tage der Schlacht bei Leipzig vom Nagel herab; ein 
Stück des Randes brach aus, ohne daß gleichwohl das Antlitz des 
Helden verletzt wurde. Da, in jener Schranknische hängt der Ver¬ 
stümmelte noch. 
Links an das Arbeitszimmer stößt das Schlafzimmer. Es ist auch 
klein und schmucklos. Nur in seinen höheren Jahren sorgte Goethe in 
der Art für sich und sein Lager, daß er zwischen dem Bett und den 
daranstoßenden Wänden eine wollene Decke an Ringen aufziehen ließ, 
um die Kälte der Wand von sich abzuhalten. Außer dieser Vorrichtung 
und einem schmalen Teppich vor dem Bette ist auch nichts von Weich¬ 
lichkeit oder bequemem Wesen hier sichtbar. Das Bett selbst ist niedrig 
und schmal, mit einer rotseidenen Decke überlegt; zu Häupten steht der 
Lehnstuhl, in dem dieses majestätische Leben ausatmete. 
Des Todes rührendes Bild steht 
Nicht als Schrecken dem Weisen und nicht als Ende dem Frommen; 
Jenen drängt es ins Leben zurück und lehret ihn handeln; 
Diesem stärkt es zu künftigem Heil in Trübsal die Hoffnung, 
Beiden wird zum Leben der Tod; 
diese tiefsinnigen Worte des Dichters standen bei seinem Begräbnisse in 
goldenen Buchstaben über dem auseinandergeschlagenen Vorhänge, der 
die tiefergriffenen Zuschauer von dem Sarge trennte, in der Halle seines 
Hauses. So schwebt Gedanke und Erinnerung überall um diese Räume; 
ein jeder, der dies geweihte Haus betritt, wird es in nachdenklicher, 
frommer Stimmung verlassen. Hierhin sollte man junge Leute führen, 
damit sie den Eindruck eines gesetzten, redlich verwandten Daseins ge¬ 
winnen. Hier sollte man sie drei Gelübde ablegen lassen, das des 
Fleißes, der Wahrhaftigkeit, der Konsequenz. — 
Was stehet ihr davor? 
Es hat ja Tür und Tor, 
Kommt nur getrost herein! 
Werdet wohl empfangen sein; 
so schrieb Goethe einmal unter eine Abbildung seines stattlichen Hauses. 
Der Spruch hat heute wieder seine volle Bedeutung erhalten, seitdem 
der Enkel des Dichters, Walter von Goethe (ch 15. April 1885), testamen¬ 
tarisch das Haus mit allen seinen Schätzen dem Weimarischen Staate 
vermacht und dadurch die Möglichkeit gewährt hat, in dem Goethe¬ 
museum eine öffentliche Anstalt zu schaffen, die der Goetheforschung wie 
der Verehrung für den Dichter eine dauernd fördernde Stätte bereitet. 
Porger-Lemv, Lesebuch. VIII. 15
	        
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