Full text: Fünf Bücher deutscher Lieder und Gedichte

— Fuünftes Buch. Sudliche Form 
An die Geliehte. 
Wenn ich, von deinem Anschann tief gestillt, 
Mich stumm an deinem heil'gen Werth vergnüge, 
Dann hör' ich recht die leisen Athemzüge 
Des Engels, welcher sich in dir verhüllt. 
Und ein erstaunt, ein fragend Lächeln quillt 
Auf meinen Mund, ob mich kein Traum betrüge, 
Daß nur in dir, zu ewiger Genüge, 
Mein kühnster Wunsch, mein einz'ger, sich erfüllt. 
Von Tiefe dann zu Tiefen stürzt mein Sinn, 
Ich höre aus der Gottheit nächt'ger Ferne 
Die Quellen des Geschicks melodisch rauschen. 
Betäubt kehr' ich den Blick nach Oben hin, 
Zum Himmel auf, — da lächeln alle Sterne; 
Ich kniee, ihrem Lichtgesang zu lauschen. 
— Mörike. 
Ans vVenedig. 
Venedig liegt nur noch im Land der Träume, 
Und wirft nur Schatten her aus alten Tagen; 
Es liegt der Leu der Republik erschlagen, 
Und öde feiern seines Kerkers Räume. 
Die eh'rnen Hengste, die, durch salz'ge Schäume 
Dahergeschleppt, auf jener Kirche ragen, 
Nicht mehr dieselben sind sie; ach! sie tragen 
Des korsikan'schen Ueberwinders Zäume. 
Wo ist das Volk von Königen geblieben, 
Das diese Marmorhäuser durfte bauen, 
Die nun verfallen und gemach zerstieben? 
Nur selten finden auf des Enkels Brauen 
Der Ahnen große Züge sich geschrieben, 
An Dogengräbern in den Stein gehauen 
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