Full text: Fünf Bücher deutscher Lieder und Gedichte

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Erstes Buch. Didaltisch⸗Lyrisches 
Hier setzt sich der Geplagte nieder, 
Benetzt die halb gelähmten Glieder; 
Doch ohne Wirkung bleibt die Kur, 
Sein Gliederschmerz vermehrt sich nur. 
Er greift betrübt nach seinem Stabe, 
Schleicht von des frommen Mannes Grabe 
Und setzt sich auf das nächste Grab, 
Dem keine Schrift ein Denkmal gab. 
Hier nahm sein Schmerz allmählig ab. 
Er braucht sogleich sein Mittel wieder; 
Schnell lebten die gelähmten Glieder, 
Und, ohne Schmerz und ohne Stab, 
Verließ er dieses fromme Grab— 
„Ach!“ rief er, „läßt kein Stein mich lesen, 
Wer dieser fromme Mann gewesen?“ 
Der Küster kam von ungefähr herbei; 
Den fragt der Mann, wer hier begraben sei. 
Der Küster läßt sich lange fragen, 
Als könnt' er's ohne Scheu nicht sagen. 
„Ach!“ hub er endlich seufzend an: 
„Verzeih' mir's Gott! es war ein Mann, 
Dem, weil er Ketzereien glaubte, 
Man kaum ein ehrlich Grab erlaubte; 
Ein Mann, der lose Künste trieb, 
Comddien und Verse schrieb; 
Er war, wie ich mit Recht behaupte, 
Ein Neuling und ein Bösewicht.“ 
„Nein!“ sprach der Mann, „das war er nicht, 
So gottlos ihn die Leute schalten; 
Doch jener dort, den ihr für fromm gehalten, 
Von dem sein Grab so rühmlich spricht, 
Der war gewiß ein Bösewicht!“ 
Gellert 
Der grüne Esel. 
Wie oft weiß nicht ein Narr durch thöricht Unternehmen 
Viel tausend Thoren zu beschämen!
	        
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