Full text: Auslese deutscher Dichtungen

10. Die Worte des Glaubens. 
Drei Worte nenn' ich euch, inhaltschwer, 
Sie gehen von Munde zu Munde, 
Doch stammen sie nicht von außen her; 
Das Herz nur giebt davon Kunde. 
Dem Menschen ist aller Wert geraubt, 
Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt. 
Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, 
Und würd' er in Ketten geboren. 
Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei, 
Nicht den Mißbrauch rasender Thoren! 
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht, 
Vor dem freien Menschen erzittert nicht. 
Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall, 
Der Mensch kann sie üben im Leben, 
Und sollt' er auch straucheln überall, 
Er kann nach der göttlichen streben. 
Und was kein Verstand der Verständigen sieht, 
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüt. 
Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt, 
Wie auch der menschliche wanke; 
Hoch über der Zeit und dem Raume webt 
Lebendig der höchste Gedanke. 
Und ob alles im ewigen Wechsel kreist, 
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist. 
Die drei Worte bewahret euch, inhaltschwer, 
Sie pflanzet von Munde zu Munde, 
Und stammen sie gleich nicht von außen her, 
Euer Inn'res giebt davon Kunde. 
Dem Menschen ist nimmer sein Wert geraubt, 
So lang' er noch an die drei Worte glaubt. 
1l. Die Worte des Wahns. 
Drei Worte hört man, bedeutungsschwer, 
Im Munde der Guten und Besten. 
Sie schallen vergeblich, ihr Klang ist leer, 
Sie können nicht helfen und trösten. 
Verscherzt ist dem Menschen des Lebens Frucht, 
So lang' er die Schatten zu haschen sucht. 
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