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seines Freundes nach Dresden; im Sommer 1786 war das Landhaus in Körners
Weinberg zu Loschwitz sein Aufenthaltsort. In der Folge nahm Schiller seinen
Wohnsitz in Weimar, dann (im Sommer und Herbst 1788) in Volkstedt, um in
der Nähe der Familie Lengefeld, welche in Rudolstadt wohnte, weilen zu können.
Charlotte, die jüngere der Landjägermeisterswitwe von Lengefeld, ward
Schillers Gattin. Auf Goethes Verwendung, der in dem Lengefeldschen Hause
seine Bekanntschaft gemacht, kam Schiller 1789 als außerordentlicher Professor der
Geschichte an die Universität Jena. Fortan beschäftigten ihn ernste historische und
philosophische Studien. Die große Anstrengung, welche er seinem ohnehin schwäch—
lichen Körper auferlegte, zerrüttete seine Gesündheit so, daß er in eine schwere
Krankheit verfiel. In seiner Bedrüngnis fand er eine unverhoffte Stütze an dem
Erbprinzen Friedrich von Holstein-Augustenburg und dem dänischen Minister Grafen
Schimmelmann, welche ihm für drei Jahre einen Jahresgehalt von je 1000 Thalern
aussetzten. Seit 1794 war Schiller mit dem Plane beschäftigt, eine Zeitschrift: die
„Horen“, welche alle andern derartigen Unternehmungen in den Schatten stellen
sollte, herauszugeben. Dadurch näherte er sich wieder Goethe, auf dessen Ver—
anlassung er 1794 seinen Wohnsitz in Weimar aufschlug. Der tägliche Verkehr der
beiden Dichter wirkte für beide gleich anregend. Hier entfaltete Schillers Genius
seine ganze Größe und Herrlichkeit vor der staunenden Mitwelt, bis am 9. Mai
1805 der unerbittliche Tod dem deutschen Volke allzufrüh seinen Lieblingsdichter
entriß. — Seine Gemahlin Charlotte sagt von ihm: „Groß und schön, wie ein
höheres Wesen, stand er da; sein Herz, seine Liebe umfing die Welt, die er erblickte;
aber die Welt kam seinem Geiste nicht nahe. Sie erschien ihm nur in dem Spiegel
seiner reinen Seele wieder. Er war einfach und liebenswürdig in seiner Erscheinung,
klug und bedeutend immer; kein fades Wort sprach sein Mund aus. Seine Unte—
hallung war immer tief. Jedes Gespräch war beinahe eine neue en seines
Geistes Man wurde emporgetragen über die Welt und die Dinge und kam sich
selbst auf einem höheren Ständpunkt stehend vor.“ — Schiller ist der Lieblings—
dichter des Volkes geworden. Dramen. 3 Lieder. — Religion, Sittlich⸗
keit und Freiheit müssen als ideale Mächte die Welt beleben, denn dem Menschen
ist aller Wert geraubt, wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt“. Durch
seine Dichtungen hat er das Selbstgefühl der Nation gehoben, Vaterlandsliebe
prren und die Ideale der Freiheit und reinen Menschlichkeit in die en gesenkt.
ausende von jenen Tausenden, welche den Gewaltigen vernichteten und das Feld
der Völkerschlacht bei eina mit ihrem Blute düngten, trugen die flammenden
Hochbilder Schillers von Vaterland, Sitte, Recht und Wahrheit in ihren Herzen
und seine Lieder auf ihren Lippen. Das blanke Schwert seines Geistes zerhieb,
was des Menschen unwürdig ist, Lug und Trug und Wahn und schlechte Leiden—
schaft und Knechtschaft. Was Schiller für seine Nation wurde und was er ihr ist,
das hat sie millionenstimmig anerkannt, als im Jahre 1859 sein hundertster Ge—
burtstag in allen Gegenden Deutschlands gefeiert wurde.
Denn er war unser! Mag das stolze Wort
Den lauten Schmerz gewaltig übertönen!
Er mochte sich bei uns im sichern Port
Nach wildem Sturm zum Dauernden gewöhnen.
Indessen schritt sein Geist gewaltig fort
Ins Ewige des Wahren, Guten, Schönen;
Ünd hinter ihm in wesenlosem Scheine
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.
Auch manche Geister, die mit ihm gerungen,
Sein groß Verdienst unwillig anerkannt,
Sie fühlen sich von seiner Kraft durchdrungen,
In seinem Kreise willig festgebannt
Zum Höchsten hat er sich emporgeschwungen,
Mit allem, was wir schätzen, eng verwandt.
So feiert ihn! denn was dem Mann das Leben
Nur halb erteilt, soll ganz die Nachwelt geben.
Goethe.