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Ein Mühlstein und ein Menschenherz wird stets herumgetrieben;
Wenn beides nichts zu reiben hat, wird beides selbst zerrieben.
Willst du fremde Fehler zählen, heb' an deinen an zu zählen;
Ist mir recht, dir wird die Weile zu den fremden Fehlern fehlen.
Treuer Thaten Nachklang
Ist gemeinlich Undank.
Wann keine Thorheit mehr wird sein,
So wird die Menschheit gehen ein.
Die Welt ist ein gemeiner Tisch, drauf alle Menschen essen;
Wohl dem, der dessen, der ihn deckt, pflegt nimmer zu vergessen.
Gottes Mühlen mahlen langsam, mahlen aber trefflich klein;
Ob aus Langmut er sich säumet, bringt mit Schärf' er alles ein.
Kann die deutsche Sprache schnauben, schnarchen, poltern, donnern, krachen,
Kann sie doch auch spielen, scherzen, liebeln, gütteln, kürmeln, lachen.
14. Friedrich von Hagedorn.
Poetische Werke. Hamburg.
1. Das Hühnchen und der Diamant.
Ein verhungert Hühnchen fand „Möchte doch, mich zu erfreun,“
Einen feinen Diamant Sprach es, „dieser schöne Stein
Und verscharr! ihn in den Sand. Nur ein Weizenkörnchen sein.“
Unglücksel ger Überfluß,
Wo der nötigste Genuß
Unsern Schätzen fehlen muß.
2. Johann, der Keifensieder.
Johann, der muntre Seifensieder, Man horcht, man fragt: Wer singt
Erlernte viele schöne Lieder schon wieder?
Und sang mit unbesorgtem Sinn Wer ist's? Der muntre Seifensieder.
Vom Morgen bis zum Abend hin.
Sein Tagwerk konnt' ihm Nahrung Im Lesen war er anfangs schwach;
bringen; Er las nichts als den Almanach,
Und wann er aß, so mußt' er singen, Doch lernt' er auch nach Jahren beten,
Und wann er sang, so war's mit Die Ordnung nicht zu übertreten,
Lust, Und schlief, dem Nachbar gleich zu sein,
Aus vollem Hals und freier Brust. Oft singend, öfter lesend ein.
Beim Morgenbrot, beim Abendessen Er schien sast glücklicher zu preisen
Blieb Ton und Triller unvergessen: Als die beruf'nen sieben Weisen,
Der schallte recht, und seine Kraft Als manches Haupt gelehrter Welt,
Durchdrang die halbe Nachbarschaft. Das sich schon für den achten hält.