Morgenandacht 
Sehnsucht hat mich fruͤh geweckt; 
wo die alten Eichen rauschen, 
hier am Waldrand hingestreckt, 
will ich Dich, Natur, belauschen. 
Jeder Halm steht wie erwacht; 
gruͤner scheint das Feld zu leben, 
wenn im kuͤhlen Tau der Nacht 
warm die ersten Strahlen beben. 
Wie die Fuͤlle mich beengt! 
so viel Großes! so viel Kleines! 
wie es sich zusammendraͤngt 
in ein uͤbermaͤchtig Eines! 
Wie der Wind im Hafer surrt, 
tief im Gras die Grillen klingen, 
hoch im Holz die Taube gurrt, 
wie die Blaͤtter schauernd schwingen, 
wie die Bienen taumelnd sammeln 
und die Kaͤfer lautlos schluͤpfen — 
o Natur! was soll mein Stammeln, 
seh ich all das Dich verknuͤpfen: 
wie es mir ins Innre dringt, 
all das Große, all das Kleine, 
wies mit mir zusammenklingt 
in das uͤbermaͤchtig Eine! 
Nichard Dehmel 
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