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Und eine Thräne trocknet er geschwind 
Und spricht zu seinem Töchterchen: „Mein Kind, 
Mein liebes Lenchen, in des Himmels Höhn 
Wohnt auch ein Vater, willst du zu ihm gehn? 
Du bliebst wohl gern bei mir und ziehst auch gern 
10 Zu jenem Vater, unser aller Herrn?“ 
nd Lenchen drauf: „Ja, Vater, wie Gott will“ 
Der Doktor Luther aber weinte still 
Und sprach: „Der Geist ist willig, aber ach! 
Du liebes, liebes Kind, das Fleisch ist schwach!“ 
15 Und schwieg und fuhr dann fort: „Mein Gott, vergieb 
Ich hatte wohl mein Kind zu lieb, zu lieb!“ 
Ünd wie er wieder nach dem Lenchen schaut, 
Da lag es tot als bleiche Himmelsbraut. 
Die Mutter aber stand, ein Schwert im Herzen, 
20 Und weinte überlaut. Da sprach mit Schmerzen 
Der Luther: „Liebes Weib, o halte stille 
Doch unserm Herrgott, gnädig ist sein Wille! 
Bedenke nur, wohin dein Kind gekommen: 
Der Heiland hat es in sein Reich genommen. 
25 Es ward erfüllt, was du im Traum geschaut: 
Die Engel holten sich die Himmelsbraut.“ 
Und als nun in dem Sarg sein Lenchen lag, 
Da sah er's lange an und sprach: 
„Du liebes Kind, wie wohl ist dir geschehn! 
30 Bald ruft der Herr, dann wirst du auferstehn 
Zur ew'gen Seligkeit, zur Himmelswonne, 
Ünd leuchten wie ein Stern, ja wie die Sonne. 
Im Geiste bin ich fröhlich, doch das Herz 
Ist trauervoll, das Scheiden macht ihm Schmerz 
35 Es ist doch wunderbar, es fest zu wissen, 
Daß sie in Frieden ruht, und trauern müssen.“ 
Und als das Volk kam, um mit ihm zu klagen 
Und Lenchen nach der Ruhestatt zu tragen, 
Rief er gefaßt: „Laßt euer Trauern sein, 
1) Zum Himmel schickt' ich eine Heil'ge ein. 
Ich gab sie ihm, wie er sie mir gegeben; 
Wer also stirbt, der hat das ew'ge Leben.“ 
Und als sein liebes Lenchen lag im Grabe, 
Setzt' er die Grabschrift ihr als Liebesgabe: 
45 „Hier schlaf' ich, Doktor Luthers Töchterlein, 
Ruh' mit allen Heil'gen in meinem Bettelein, 
Die ich in Sünden ward geboren, 
Hätt' ewig müssen sein verloren, 
AÄber ich leb' nun und hab's gut, 
50 Herr Christ erlöst mit seinem Blut.“ Julius Sturm. 
129. Schlacht bei Pavia. (1525.) 
1. „Das Fähnlein auf! die Spieße nieder! Die Kugeln in den Lüften flogen, 
Dem Kaiser Sieg! dem Feinde Tod! Es sprang das Blut wie Regenbogen 
Das Leben ist gar wohlfeil heuer, Wohl zu Pavia in der Schlacht. 
Ihr Landsknecht, drum verkauft es 3. Das war kein Tag wie alle Tage, 
teuer. Das war ein roter, heil'ger Tag, 
So war des Frundsberg erst Gebot. Als fern vom deutschen Vaterlande 
2. Da sah man Spieß' und Schwerter Vor deutschem Mut mit Schmach und 
blitzen, Schande 
Wie Sternlein in der blauen Nacht. Das fremde Heer im Kampf erlag.
	        
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