Full text: Anthologie mittelalterlicher Gedichte

Einleitung. XIII 
er in hohem Ausehen: man lese die auf S. 130 seinen Liedern 
als Motto vorangesetzten Worte. 
Er bezeichnel den Höhepunkt der mittelhochdeutschen Lyrik; 
neben ihm stehen auf diesem Gebiet ebenso hervorragend wie als 
Epiker Wolfräm von Eschenbach und Hartinann von Aue; die 
didaltische Richtung, die uns in Walthers Sprüchen entgegen— 
tritt, fand in der umfangreichen Spruchsammlung, die als 
Freidanks Bescheidenheit Weisheit) bekannt ist, einen aus— 
gezeichneten Vertreter. 
Im zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts wird bereits 
die Klage laut, daß der ideale Sinn der Rilterschaft zugrunde 
gehe. Vgl. Walther 12, 22f. Damit war auch ein Niedergang 
der höfischen Kunst verbunden. Sie wurde als Modesache, dilet— 
tantisch betrieben; es gehörte zum guten Ton, eine wirkliche 
oder eingebildete Geließte in Versen zu feiern. Eine Mzahl 
Fürsten rühren jetzt das Saitenspiel; anderseits dringt die Dich 
tung in die bürgerlichen Kreise; statt edler Gedauͤken kommt 
eine virtuose Reimerei zur Geltung, geschmacklose Bilder veran— 
schaulichen armselige Empfindungen. Wenig Originalität ist 
unter diesen Nachzüglern zu finden. Der bayrische Ritter 
VNeidhart von Reuental, gleich Walther ein fahrender 
Sänger, ist der Schöpfer der höfischen Dorfpoesie. Er schildert 
das Leben der Dörper, das ungefüge rohe Treiben der Bauern, 
besonders beim Tanz behandelt aäber diesen Stoff von dem 
Standpunkte des höfisch gebildeten Mannes und zum Ergöhen 
ritterlicher Gesellschaft. 
Das vorliegende Bändchen ist auf den Wunsch solcher 
Schulen zusammengestellt, die der mittelalterlichen Poesie nur 
geringe Zeit zu widmen vermögen und denen es nur auf eine 
möglichst allgemeine Übersicht ankommt. Für die Abschnitte 
VISII sind die Lieferungen 107, 91, 46 der Sammlung 
Deutscher Schulausgaben benutzt worden.
	        
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