noch vor 9 Uhr an Moltke gemeldet, und demnach unterblieb selbst¬
verständlich die Wiedereröffnung des Feuers. Der Versuch Napoleons
aber, durch persönliches Eingreifen den Ton und Gang der Verhand¬
lungen zu ändern, mußte von vornherein hoffnungslos sein, da er ja
kraft seiner eigenen, zu Donchery durch den Mund des Generals Lastelnau
abgegebenen Erklärung gar keine Berechtigung mehr hatte, im Namen
Frankreichs zu sprechen.
Zur Stunde, wo in Sedan die Generale zum Kriegsrat zusammen¬
traten, meldete General Reille dem Bundeskanzler, daß Napoleon auf
dem Wege nach Donchery sich befände, wo er den König zu finden hoffte.
Bismarä kam in seinem weißen Kürassierrock heraus, setzte die Feld¬
mütze auf, stieg zu Pferd und ritt „ungewaschen und ungefrühstückt",
wie er folgenden Tages seiner Frau schrieb, dem gefangenen Kaiser ent¬
gegen. Ungefähr halbwegs Sedan traf er den Wagen, in welchem
Napoleon mit den Generalen Lastelnau, Ney und Vaubert saß, während
drei Offiziere hinterdrein ritten. Der Kaiserschemen mochte hoffen, beim
König von Preußen persönlich für die Armee noch etwas herauszu¬
schlagen; aber daneben hatte er sich wohl auch darum so früh aus dem
Höllenkessel von Sedan fortgemacht — ohne übrigens zu vergessen,
sein sehr umständliches Gepäck mitherauszunehmen — weil ihm beim
derzeitigen Sachbestand die deutsche Kriegsgefangenschaft immerhin mehr
Sicherheit bot als die französische Schattenkaiserschaft. Als Bismarck
den haltenden Wagen erreichte, stieg er ab, trat an den Schlag und
grüßte den Gefangenen mit aller Höflichkeit. Napoleon erfuhr nun, daß
der König nicht in Donchery, sondern in Vendresse wäre. Bismarck
bot ihm sein Quartier in dem Städtchen an, was angenommen wurde.
Als aber der Wagen sich der Maasbrücke näherte, schien Napoleon die
Einfahrt in den getümmelvollen Ort zu scheuen, ließ unter einem über
der Straße auf einem Höhenhang stehenden Häuschen halten und fragte
Bismarck, ob er nicht hier absteigen könnte. Der Kanzler schickte den
ihm gefolgten Legationsrat Bismarck-Bohlen hinauf, der den Bescheid
zurückbrachte, das einstöckige, gelbangestrichene Häuschen wäre zwar nicht
mit Verwundeten belegt, aber sehr dürftig im Innern. „Tut nichts,"
sagte Napoleon, trat in das kleine Haus und stieg mit Bismarck die
enge, morsche Treppe hinauf. „In einer Kammer von 10 Fuß Ge¬
viert," schreibt der Kanzler, „mit einem fichtenen Tische und zwei Binsen¬
stühlen saßen wir eine Stunde; die andern waren unten. Ein gewaltiger
Kontrast mit unserm letzten Beisammensein 1867 in den Tuilerien!