Full text: Sammlung deutscher Gedichte

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Flugs unterricht' ich meine Knappen, 
besteige den versuchten Rappen, 
und von dem edlen Doggenpaar 
begleitet, auf geheimen Wegen, 
wo meiner Tat kein Zeuge war, 
reit' ich dem Feinde frisch entgegen. 
15. „Das Kirchlein kennst du, Herr, das hoch 
auf eines Felsenberges Joch, 
der weit die Insel überschauet, 
des Meisters kühner Geist erbauet. 
Verächtlich scheint es, arm und klein, 
doch ein Mirakel schließt es ein: 
die Mutter mit dem Jesusknaben, 
den die drei Könige begaben. 
Auf dreimal dreißig Stufen steigt 
der Pilgrim nach der steilen Höhe 
doch hat er schwindelnd sie erreicht, 
erquickt ihn seines Heilands Nähe. 
16. „Tief in den Fels, auf dem es hängt, 
ist eine Grotte eingesprengt, 
vom Tau des nahen Moors befeuchtet, 
wohin des Himmels Strahl nicht leuchtet. 
Hier hausete der Wurm und lag, 
den Raub erspähend, Nacht und Tag 
So hielt er, wie der Höllendrache, 
am Fuß des Gotteshauses Wache; 
und kam der Pilgrim hergewallt 
und lenkte in die Unglückstraße, 
hervorbrach aus dem Hinterhalt 
der Feind und trug ihn fort zum Fraße. 
17. „Den Felsen stieg ich jetzt hinan, 
eh' ich den schweren Strauß begann; 
hin kniet' ich vor dem Christuskinde 
uͤnd reinigte mein Herz von Sünde. 
Drauf gürt' ich mir im Heiligtum 
den blanken Schmuck der Waffen um, 
bewehre mit dem Spieß die Rechte, 
und nieder steig' ich zum Gefechte. 
Zurücke bleibt der Knappen Troß; 
ich gebe scheidend die Befehle 
und schwinge mich behend aufs Roß, 
und Gott empfehl' ich meine Seele. 
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