Widukind.
loren hatten, mit derselben gläubigen Hartnäckigkeit schauten
sie in ihre Feuer und berechneten die Wege, die trotz
alledem noch zur Rettung führen konnten. Äuch scharten
sie sich wohl auf entlegener Waldlichtung um ihre Opfer-
feuer, di? Männer in den rauhen Fellgewanden, die 8
Frauen in ihrem stolzen Goldhaar; und mit dem Opfer⸗
rauch stiegen eine Nacht lang ihre Gebete zu den
schlafenden Göttern. Gegen Morgen dann, wenn der
Wald wach wurde, gingen sie mit kräftigem Händedruck
und ruhigem „Heil!“ zu neuer Umschau und Arbeit an 10
ihr Tagewerk.
Nichts mehr von alledem! Ein schlimmerer Feind
als der Franke hatte in ihre Herzen Eingang gefunden.
Die Säule Irmins hatte Karl gestürzt — auch in
ihren Herzen! Ihre Heiligtümer waren vernichtet, ihre 15
Götter verspottet Und das Unglaubliche war geschehen:
— nicht einen Finger hatten die beschimpften und ent—
ehrten Germanengötter gerührt! Wann hatte man solche
Ehrlosigkeit, solche Feigheit im Nordland erlebt?! — Da
zog ein großes Irrewerden über dies Land des geraden 20
Glaubens; ein bisher unbekanntes Unkraut, der Zweifel
an den eigenen Göttern, sproßte nun im Sachsen—
land in allen Herzen auf, ausgesäet von den Priestern
des Südens.
Lüge war, was sie bis jetzt geliebt. Der Schwur, 25
den: der Mann dem Manne geschworen bei den Göoͤttern
des freien Waldes, der Schwur war Lüge. Donar,
der im Wetter dahinfuhr; Wodan, der mildstarke Mantel
gott mit Speer und Sonnenauge; Freya, die Lieb—
liche; die Prophetinnen und weißen Frauen am Wald- 30
quell; die Nixe der Wasser, die Kobolde und Zwerge
der Waldklüfte, die Elfen in den Weiden der Nebel—
täler — Lüge! Leer wie eine Winternacht lag die
deutsche Welt. Nichts mehr, das diese Enttäuschten
freute; nichts mehr, für das sie glühen und um das 36