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Gemüsegartens treten, und ich ermahne die Hausbewohner, so eindringlich
ich kann, alle Waffen abzuliefern, die sie noch im Hause haben. Der Alte
schwört, er habe nie eine Waffe besessen. Sein Sohn sei seit mehreren Tagen
unterwegs. Ob der eine Schußwaffe besitze? Alle drei heben beschwörend
die Hand hoch: Nein, er sei ein friedfertiger Mensch, habe nie, niemals eine
Waffe in der Hand gehabt. — Aber in dieser Gegend ist häufig aus den Hecken
heraus geschossen worden. Wir müssen das Haus von oben bis unten durch—
suchen. Ein letztes Mahnwort: „Sie wissen, daß jeder Zivilist, der jetzt noch
im Besitz einer Waffe betroffen wird, mit dem Tode bestraft werden muß?“
— „Wir haben keine Waffen!“ beteuern sie noch einmal.
Die Mannschaften verteilen sich auf Keller- und Wohnräume, Geräte—
schuppen und Stall, durchforschen den Garten und das Umland nach frischen
Grabestellen. Vor den Gewehrläufen mit den aufgepflanzten Seiten—
gewehren stehen die drei Leute und halten meinen Blick ruhig aus. Ich
frage den Alten: „Haben Sie mir in letzter Sekunde noch ein Geständnis zu
machen?“ Der Alte faltet die Hände: „Nein, Herr Offizier, als Mann von
72 Jahren schwöre ich Ihnen zu“ ... und da geschieht das Gräßliche. Ein
Unteroffizier und ein Wehrmann schleppen einen jungen Burschen aus dem
Hause. Sie haben ihn auf dem Boden im Stroh versteckt entdeckt. Er hatte
ein mit fünf Patronen geladenes belgisches Gewehr in der Hand. Aus der
Dachluke mag er manch ehrlichem Deutschen nach dem Schädel oder der
Brust gezielt haben. Der Bursche hat die Hände emporheben müssen.
Schlotternd, käsebleich steht er da. „Wer ist dieser Bursche?“ frage ich den
Alten. Sie sind alle Drei auf die Knie gesunken, wie vom Blitz gefällt, und
klagen. Die Frau kreischt: „Es ist mein Sohn! Um Gottes willen, Sie
wollen ihm doch nicht ans Leben?!“ ... und die Fünfzehnjährige heult
herzbrechend. Der Festgenommene will entwischen und wird von den
Mannschaften an die Hausmauer gestellt.
Ich muß mir gewaltsam das Bild ausmalen von den diensteifrig in die
Nacht hinausreitenden deutschen Patrouillen, um deren Helme die Kugeln
heimtückischer Franktireurs sausen, muß mir so recht eindringlich die sehnigen
Gestalten und leuchtenden Augen unserer guten, deutschen Jungen vorstellen,
um diesem Jammer gegenüber Herr meiner Nerven zu bleiben und dem
Befehl nachzukommen. — „Er wird erschossen. Drei Mann. Fertig!“
Von den drei Wehrleuten — es sind Familienväter, zwei Berliner und ein
Landwirt — zuckt auch nicht einer mit der Wimper. Diese Sache ist gerecht.
Hier ist ein Schurke gefaßt, der kein Mitleid verdient. Die Salve kracht.
Der schlotternde Körper sinkt in sich zusammen und rührt sich nicht mehr. —
Der Tod durch unser Gewehr ist schmerzlos. Aber auf belgischen Straßen
sind deutsche Soldaten von bübischem Gesindel wie diesem am Boden liegen—
den Strauchräuber angeschossen und, als sie wehrlos zusammenbrachen,
grausam verstümmelt worden. — „Abmarschiert!“ befehle ich. Die drei
Leute liegen noch immer auf den Knien, der Tote liegt an der Mauer.