Full text: Homers Ilias und Odyssee nach Voß (Teil 1, [Schülerband])

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Daß ich bei mir nichts anders zu deinem Verderben beschließe! 
Sondern ich denke so und rede, wie ich mir selber 
Suchen würde zu raten, wär' ich in gleicher Bedrängnis! 
Hab Vertrauen! auch mir ist billig der Sinn, und ich trage 
Nicht im Busen ein Herz von Eisen, sondern voll Mitleid!“ 
Also sprach sie und ging, die hehre Göttin Kalypso, 
Eilend voran, und er folgte den Schritten der wandelnden Göttin. 
Und sie kamen zur Grotte, der Mann und die göttliche Nymphe. 
195 Allda setzte der Held auf den Thron sich nieder, auf welchem 
Hermes hatte gesessen. Ihm reichte die heilige Nymphe 
Allerlei Speis' und Trank, was sterbliche Männer genießen; 
Setzte sich dann een dem göttergleichen Odysseus, 
Und ihr reichten Ambrosia Dienerinnen und Nektar. 
VUnd sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle. 
Als sie jetzo ihr Herz mit Trank und Speise gesättigt, 
Da begann das Gespräch die hehre Göttin Kalypso: 
3 Laertiad', Odysseus, 
Also willst du m n so bald verlassen und wieder 
In dein geliebtes Vaterland gehn? Nun Glück auf die Reise! 
Aber wüßte dein Herz, wie viele Leiden das Schichsal 
Dir zu dulden bestimmt, bevor du zur Heimat gelangest: 
Gerne würdest du bleiben, mit mir die Grotte e 
Und ein Unsterblicher sein: wie sehr du auch wünschest, die Gattin 
Wiederzusehn, nach welcher du stets so herzlich dich sehnest! 
Glauben daͤrf ich doch wohl, daß ich schlechter als sie bin, 
Weder an Wuchs noch Bildung! Wie könnten sterbliche Weiber 
Mit unsterblichen sich an Gestalt und Schönheit vergleichen?“ 
Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: 
215 Hürne mir darum nicht, ehrwürdige Gotn! Ich weiß es 
Selber zu gut, wie sehr der klugen Penelopeia 
Reiz vor deiner Gestalt und erhabenen Größe verschwindet; 
Denn sie ist nur e und dich schmückt ewige Jugend. 
Aber ich wünsche dennoch und sehne mich täglich von Herzen, 
220 Wieder nach Hause zu gehn und zu schaun den Tag der Zurückkunft. 
Und verfolgt mich ein Gott im dünkeln Meere, so will ich's 
Dulden; mein Herz im Busen ist längst zum Leiden gehärtet! 
Denn ich habe schon vieles erlebt, schoͤn vieles erduldet, 
Schrecken des Meers und des Kriegs: so mag auch dieses geschehen! 
25 Also sprach er, da sank die Sonne, und Duntkel erhob sich. 
Als in der Frühe erschien die rosenfingrige Eos, 
Da bekleidete sich Odysseus mit Mantel und Leblock. 
Bo Aber die Nymphe zog ihr silberfarbnes Gewand an, 
Fein und zierlich gewebt, und en um die Hüfte den Gürtel, 
Schön mit Golde gestikt, und schmückte das Hauprmit dem Schleier. 
Und nun dachte sie an die Reise des edlen Odysseus: 
Gab ihm die mächtige Art, von gehärtetem Erze geschmiedet, 
2 Handlich, bequem, auͤf beiden Seiten geschärft, und darinnen 
War ein schöner Stiel von Oliwenholße befestigt; 
Gab ihm auch ein geschliffenes Breitbeil, führet' ihn jetzo 
An der Insel Gestade voll hochgewachsener Bäume, 
Erlen und Schwarzpappeln, zum Himmel ragende Fichten, 
Längst verdorrt und trocken; die würden n ihm schwimmen. 
Als sie den Ort ihm gezeigt, voll hoher shatender Bame: 
Kehrte sie heim zur Grotte, die hehre Golnn Kalypso.
	        
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