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11. Die Belagerung von Paris
Katzen und Ratten stellte man nach und verzehrte sie als Leckerbifsen. Ein
Sperling bezahlte man mit 4 Sgr. Trotz alle dem ergab sich Paris nis
Es verging nicht blos der October, sondern auch der November; We
nachten kam; das Jahr 1870 verging, und der Neujahrsmorgen erbli
noch das belagerte Paris und ringsum die deutschen Armeen.
Es trat starker Frost ein. Schnee bedeckte Stadt und Flur. Die
Pariser hatten nicht genug Holz, die Stuben recht zu heizen. Die streng
Kälte war eine neue Plage für die daran nicht so wie wir Deutsche gewoöhnt
Franzosen. Aber immer zeigte Paris noch keine Neigung, sich zu ergeben
Der Oberbefehlshaber der deutschen Armeen hatle während der
Belagerung sein Hauptquartier in Versailles (spr. Wersallj), Die
war ehedem der Lieblingsaufenthalt der Könige Frankreichs. Dort hiell
Ludwig XIV, sein üppiges Hoflager. Ein großartiges Schloß und ge
schmackvolle Gärten mit vielen Springbrunnen und Statuen zeugen hent
noch von der früheren Pracht. Unser König residirte in dem Palaste
des Präfekten. Die prachtvollen Säle des Schlosses aber ließ er flr di
Verwundeten und Kranken als Lazarethe einrichten.
Um die schöne Stadt Paris zu schonen und nicht Tausende ein
Bewohner dem Tode preis zu geben, wollte der König in seiner Mild
und Herzensgüte die Stadt nicht beschießen lassen. Er hoffte, daß de
Hunger ein unfreiwilliger Bundesgenosse der Deutschen werden, die lrotz
gen Pariser demüthig machen und zur Unterwerfung nöthigen werd
Daher begnügte man sich, die Folgen der Absperrung abzuwarten un
die Stadt streng zu bewachen. In derselben waren aber bedeutend
Heeresmassen. Man hatte wohl 400,000 Mann bewaffnet. Und wemnn
auch nicht Alle gute Soldaten waren, so wurde doch bald nach Norden
bald nach Süden, Osten und Westen der Versuch gemacht, aus der Sta
herauszubrechen und die Belagerer zu vertreiben. Solcher Ausfälle he
der General Trochu (Troschü), der in Paris den Oberbefehl führte
mehrere gemacht. Bald fiel er über die Garde, bald über die Sachs
und Württemberger, bald über die Posener und Schlesier her. Bei einen
solchen Ausfalle war es, wo der General von Tümpling ssiehe
nebenstehendes Bild) mit dem 6. Schle sisch en) Armeecorps die Würt tem
berger vor der Uebermacht der Feinde rettete. Ob die Kämpfe auc
recht blutig waren und manchem Braven sein Grab vor Paris bereitetei
so wurde Trochu doch immer dahin geschickt, wo er hergekommen wan
Tausende von Todten und Verwundeten zurücklassend, mußte er sich
unter den Schutz seiner Kanonen zurückziehen.
Doch diese Ausfälle waren nicht die einzigen Versuche, den eisernen
Ring der Belagerer zu durchbrechen und Paris zu befreien.
Der Gewalthaber Gambetta wollte vielmehr ganz Frankreich gegen
die Deutschen unter Waffen rufen, um der Hauptstädt zu Hilfe zu eilen
die Belagerer zu überfallen und die Deutschen aus Frankreich hinaus
zujagen. Und in der That, dieser Mann hat eine bewundernswerthe
Thatkraft bewiesen. Er raffte alle Kräfte der Nation zusammen, und es
gelang ihm, so weit das Land nicht von den Unsrigen besetzt war, überall