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328. Der Hering.
Der Hering bewohnt den ganzen nördlichen Ocean, insbesondere je—
doch das deutsche Nordmeer; denn die Zahl derer, die sich an die Küsten
hon Amerika und die asiatischen bis Japan hinunter verlieren, ist nicht so
groß. Sein eigentlicher Aufenthaltsort ist übrigens noch immer nicht in
Erfahrung gebracht, da sich die Behauptung, daß er im Polarkreise lebe
und auswandere, nicht bestätigt hat Vielmehr ist am wahrscheinlichsten
daß er seine Jugendzeit auf dem Boden der See zubringt, sich aus dem
an den Küsten abgesetzten Rogen entwickelt, und daß nur die vollwüchsigen
in unsäglichen Mengen südlich ziehen; denn Heringslaich wird durch Stürme
oft an die englischen Küsten geworfen. Um Island und Spitzbergen und
Grönland, überhaupt jenseit des 67. Grades sieht man ihn nicht. Erst
bei den Schetlandsinseln wird man seine Züge recht gewahr. Allein auch an
den Kusten von Norwegen, England und der Ostsee ist der Hering zu Hause
Doch wechselt er zuzelten seinen Wohnort, so daß gar manchmal große
Fischereigebäude auf den englischen und schottischen Inseln und Küsten wieder
verfallen sind, und die Unternehmer ihre Kapitale dabei verloren haben
Mit deim April schon zeigen sich die ersten Heringe, reichlicher aber
erst im Mai und Junmi, und bilden da Bänke oder Heere von 5 bis 6
Meilen Lange, 2 bis 3 Meilen Breite und einer ansehnlichen Tiefe. Ihre
Menge füllt oft dermaßen den Ocean, daß eingeworfene Lanzen zwischen
ihnen stehen bleiben. So wie sie sich an die Oberfläche erheben, gewährt ihre
Menge einen prächtigen Anblick; ihre Bewegungen verursachen ein Gerãusch
Die das Platschern des Regens. Bisweilen sinken sie auf zehn bis fünf⸗
zehn Minuten und heben sich dann wieder. In der Nacht scheinen sie
zu leuchten.
Die Alten kannten den echten Hering nicht, da er sich nicht im
Millelmeere findet; auch weiß man nicht, wann sein Fang im großen
zuerst versucht worden. Doch fand er schon im Mittelalter statt, denn
Papst Wrander III. erlaubte um das Jahr 1160 den Norddeutschen,
diese Beschäftigung auch an Sonn⸗ und Festtagen zu treiben. — Im
Jahre 1164 war der Heringsfang bereits bei den Holländern im Gange
Im siebenzehnten Jahrhundert erreichte er jedoch bei ihnen seine größte
Hohe und ward der rechte Arm der Stärke ihres Landes genannt. In
der That erregt es Bewunderung zu sehen, wie ein kleines Sumpfland
es dahin brachte, mit den größten europäischen Reichen Krieg anzufangen,
das Schicksal gauzer Volker in der Wagschale zu halten und größere Reich⸗
umer als seine Nachbarn zusammenzuhäufen, und dies alles durch den
Fang eines kleinen Fisches. Aber dieser Fang beschäftigte 4560 000 Men⸗
schen und brachte schon damals jährlich hundert Millionen ein. Durch
hn wurden die kleinsten Knaben mit der See vertraut und bildeten sich
zi unerschrockenen, den Tod verachtenden Matrosen. Darum sagte man
im Scherz, Amsterdam sei auf Heringe gebaut. — Schon um dieselbe Zeit
brachte diese Fischerei auch den Deutschen jährlich 30 Millionen M
ein, und alle nordischen Länder, ja selbst Spanien und Frankreich, nahmen
ihren Anteil. Jetzt hat England viel von diesem, die Goldminen von
Pau dn Wert Mertteffenden Erwerbszweige an fich gerissen, und mit