Full text: [Teil 3 = Klasse 7 [= 3. Jahrgangsstufe], [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 7 [= 3. Jahrgangsstufe], [Schülerband])

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—* —m 58* 3 — 55 
— Maärchen 
—— — 
10. Die sieben Raben. von den Brũcdern Grimm. 
Kinder- und Hausmärchen. Originalausgabe. 82. Aufl,, besorgt von Reinhbold 
Steig. Stuttgart u. Berlin 1906. 8. 90. 
En Mann hatte sieben Söhne und immer noch kein Töchterchen, so 
sehr er sichss auch wünschte; endlich kam ihm noch ein Kind zur 
Welt, und da war's ein Mädchen. Die Freude war groß, aber das 
Kind war schmächtig und klein und sollte wegen seiner Schwachheit die 
Nottaufe haben. Der Vater schickte einen der Knaben eilends zur 
Quelle, Taufwasser zu holen; die andern sechs liefen mit, und weil 
jeder der erste beim Schöpfen sein wollte, so fiel ihnen der Krug in den 
Brunnen. Da standen sie und wußten nicht, was sie tun sollten, und 
keiner getraute sich heim. Als sie immer nicht zurückkamen, ward der 
Vater ungeduldig und sprach: „Gewiß haben sie's wieder über dem 
Spielen vergessen, die gottlosen Jungen!“ Es ward ihm angst, das 
Mädchen müßte ungetauft verscheiden, und im Ärger rief er: „Ich 
wollte, daß die Jungen alle zu Raben würden!“ Kaum war das Wort 
ausgeredet, so hörte er ein Geschwirr über seinem Haupte in der Luft, 
blickte in die Höhe und sah sieben kohlschwarze Raben auf und davon 
fliegen. 
Die Eltern konnten die Verwünschung nicht mehr zurücknehmen, 
und so traurig sie über den Verlust ihrer sieben Söhne waren, trösteten 
sie sich doch einigermaßen durch ihr liebes Töchterchen, das bald zu 
Kräften kam und mit jedem Tage schöner ward. Es wußte lange Zeit 
nicht einmal, daß es Geschwister gehabt hatte; denn die Eltern hüteten 
sich, ihrer zu erwähnen, bis es eines Tages von ungefähr die Leute 
von sich sprechen hörte, das Mädchen wäre wohl schön, aber doch 
eigentlich schuld an dem Unglück seiner sieben Brüder. Da ward es 
ganz betrübt, ging zu Vater und Mutter und fragte, ob es denn Brüder 
gehabt hätte, und wo sie hingeraten wären. Nun dursten die Eltern 
das Geheimnis nicht länger verschweigen, sagten jedoch, es sei so des 
Himmels Verhängnis und seine Geburt nur der unschuldige Anlaß 
gewesen. Allein das Mädchen machte sich täglich ein Gewissen daraus 
und glaubte, es müßte seine Geschwister wieder erlösen. Es hatte nicht 
Ruhe und Rast, bis es sich heimlich aufmachte und in die weite Welt 
ging, seine Brüder irgendwo aufzuspüren und zu befreien, es möchte
	        
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