Full text: [Teil 3 = Klasse 7 [= 3. Jahrgangsstufe], [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 7 [= 3. Jahrgangsstufe], [Schülerband])

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so eifrig in der Sonne habe arbeiten sehen, ohne begreifen zu können, 
was sie eigentlich täten. Die umstehenden Schildbürger antworteten ihm 
ohne Bedenken, daß sie versucht hätten, ob sie das Tageslicht in ihr 
neugebautes Rathaus tragen könnten. 
Der fremde Geselle war ein rechter Schalk. Er fragte sie ernst— 
haft, ob sie mit ihrer Arbeit etwas ausgerichtet hätten. Da sie mit 
Kopfschütteln antworteten, sagte er: „Das macht, daß ihr die Sache 
nicht fo angegriffen habt, als ich euch wohl möchte geraten haben!“ 
Dieser Tagesschimmer von Hoffnung machte die Schildbürger sehr froh, 
und sie verhießen ihm von seiten des ganzen Fleckens eine namhafte 
Belohnung, wenn er ihnen seinen Rat mitteilen wollte. 
Am folgenden Tage, als die liebe Sonne den Schildbürgern ihren 
Schein wieder gönnte, führten sie den fremden u zum Rathaus 
und besahen es mit allem Fleiß von oben und unten vorn und hinten, 
innen und außen. Da hieß der Geselle sie das Dach besteigen und 
die Dachziegel hinwegnehmen, welches auch allsogleich geschah. „Nun 
habt ihr “ sprach er, „den Tag in eurem Rathause; ihr mögt ihn darin 
lassen, solang' es euch gefällig ist. Wenn er euch beschwerlich wird, so 
könnet ihr ihn wieder hinausjagen.“ Aber die Schildbürger verstanden 
nicht, daß er damit meinte, sie sollten das Dach nicht wieder darauf 
decken, sonst würde es wieder so sinster werden wie zuvor, sondern sie 
ließen die Sache gut sein, saßen in dem Hause zusammen und hielten 
den ganzen Sommer über Rat. Der Geselle nahm das Geschenk, zählte 
das Geld nicht lange, sondern zog hinweg und schaute oft hinter sich, 
ob ihm niemand nacheile, den Raub wieder von ihm zu nehmen. 
Nun hatten die Schildbürger mit ihrem Rathause solches Glück, daß 
es den ganzen Sommer über, sooft sie zu Rate saßen, nie regnete. In— 
zwischen aber begann der liebliche Sommer sein lustiges Antlitz zu ver— 
bergen, und der leidige Winter streckte seinen rauhen Schnabel hervor. 
Da merkten die Schildbürger bald, daß sie sich mit dem Dache wie mit 
einem Hute gegen Schnee und Ungewitter schirmen müßten. Sie hatten 
daher nichts Eiligeres zu tun, als das Dach wieder zu decken. Aber 
siehe da, wie das Dach wieder eingedeckt war und sie ins Rathaus 
gehen wollten, da war es leider wieder ebenso dunkel darin, als es 
zuvor gewesen. Und jetzt erst merkten sie, daß der Fremde sie häßlich 
hinters Licht geführt habe. Da setzten sie sich wieder mit ihren Licht— 
spänen auf den Hüten zusammen und hielten geschwind einen Rat. 
Endlich kam die Ümfrage auch an einen, der sich nicht den Ungeschick— 
testen dünkte. Dieser stand auf und sagte, er rate eben das, was sein 
Vater raten werde. Nach diesem weisen Rate wollte er die Versamm— 
lung verlassen. Wie er nun in der Finsternis — denn sein Lichtspan war 
5.
	        
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