Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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Worten, und als er nachts schlief, zog er ihm unbemerkt den Ring 
vom Finger und steckte ihm statt defsen einen ganz gleichen, gewöhn⸗ 
lichen an. 
Am nächsten Morgen konnte es der Goldschmied kaum erwarten, 
daß der Bauer aufbräche. Er weckte ihn schon in der frühesten 
Morgenstunde und sprach: „Du hast noch einen weiten Weg vor 
dir, es ist besser, wenn du dich früh aufmachst.“ 
Sobald der Bauer fort war, ging er eiligst in seine Stube, schloß 
die Läden, damit niemand etwas sähe, riegelte dann auch noch die 
Tür hinter sich zu, stellte sich mitten in die Stube, drehte den Ring 
um und rief: „Ich will gleich hunderttausend Taler haben.“ 
Kaum hatte er dies ausgesprochen, so fing es an, Taler zu 
regnen, harte, blanke Taler, als wenn es mit MNulden gösse, und 
die Taler schlugen ihm auf Kopf, Schultern und Arme. Er fing 
an, kläglich zu schreien, und wollte zur Tür springen; doch ehe er 
sie erreichen und aufriegeln konnte, stürzte er, am ganzen Leibe 
blutend, zu Boden. Aber das Talerregnen nahm kein Ende, und 
bald brach von der Last die Diele zusammen, und der Goldschmied 
mitsamt dem Gelde stürzte in den liefen Keller. Darauf regnete es 
immer weiter, bis die Hunderttausend voll waren, und zuletzt lag 
der Goldschmied tot im Keller und auf ihm das viele Geld. Von dem 
Lärm kamen die Nachbarn herbeigeeilt, und als sie den Goldschmied 
tot unter dem Gelde liegen fanden, sprachen sie: „Es ist doch ein 
großes Unglück, wenn der Segen so knüppeldick kommt,“ darauf 
kamen auch die Erben und teilien. 
Unterdes ging der Bauer vergnügt nach Hause und zeigte seiner 
Frau den Ring. „Nun kann es uns gar nicht fehlen, liebe Frau,“ 
sagte er, „unser Glück ist gemacht. Wir wollen uns nun recht über— 
legen, was wir uns wünschen wollen.“ 
Doch die Frau wußte gleich guten Rat. „Was meinst du, 
sagte sie, „wenn wir uns noch etwas Acker wünschen? Wir haben 
gar so wenig. Da reicht so ein Zwickel gerade zwischen unsere Acker 
hinein; den wollen wir uns wünschen.“ 
„Das wäre der Mühe wert,“ erwiderte der Mann. „Wenn wir 
ein Jahr lang tüchtig arbeiten und etwas Gluck haben, können wir 
ihn uns vielleicht kaufen.“ Darauf arbeiteten Mann und Frau ein 
Jahr lang mit aller Anstrengung, und bei der Ernte hatte es noch 
nie so geschüttet wie dieses Mal, so daß sie sich den Zwickel kaufen 
konnten und noch ein Stück Geld übrig blieb. „Siehst du!“ sagte
	        
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