Berthelt: Der Sturm auf dem Meere. Lauckhardt: Wüstenreise 177—
Schnell wurden die untersten starken Segel beigesetzt, um alles zu ver—
suchen, dem Verderben zu entgehen, welches an der Küste von Afrika,
der das Schiff zugejagt wurde, zu befürchten war. Es gelang endlich,
das Schiff zu lenken, und hinaus ging es nach Nordwest in die hohe See.
Hier war Rettung zu hoffen, wenn das Schiff im Offenen gehalten werden
konnte. Der starke Wind legte es gewaltig auf die Seite; aber der feste,
meisterhafte Bau schnitt kräftig durch die Wellenthäler. Die Mannschaft
hatte Zeit, sich durch das verspätete Abendessen neue Kräfte zu sammeln.
An ein Schlafengehen war jedoch nicht zu denken. Furcht und Entsetzen
hatte sich selbst der Mutigsten bemächtigt. Die Passagiere lagen in ihren
Hängematten, weil sie bei der schiefen Lage des Schiffes, das bald hoch
emporstieg, bald wieder in die tiefen Wasserthäler hinabsank, nirgends zu
stehen vermochten.
So brach endlich der Morgen an. Die Passagiere kamen aus ihren
Kajüten und staunten hinaus in das aufgerüttelte Meer. Der Kapitän
trat zu ihnen und sagte ihnen freundlich einen guten Morgen. Er suchte
ihre Besorgnisse zu beruhigen; aber der Anblick der schäumenden Flut,
die immer neue Wasserberge gebar, ließ noch keine Ruhe in ihrem Ge—
fühle aufkommen. Was sind hier alle Kräfte des Menschen! Was hilft
ihm hier sein Mut oder sein vielgerühmter Verstand! Hier gilt nur ein
ruhiges Erwarten der Ewigkeit. „Die Stimme des Herrn geht über die
Wasserwolken; der Gott der Verrlichkeit donnert, er, der Herr über die
Menge der Gemwässer.“
78. Wüstenreise.
Lauckhardt, Geographische Bilder aus Afrika.“)
Der Morgen bricht über die Wüste heran. Die Karawane schreitet
in langem Zuge dahin und fördert ihre Schritte nach dem einförmigen
Tone der Pfeife. Die Kamele sind mit Ballen beladen und mit Tüchern
bedeckt. Auf ihnen sitzen die Mauren in bunten Turbanen und Mänteln,
mit Dolch und Säbel bewaffnet. Den Kamelen zur Seite gehen die
schwarzen Sklaven. Voran reitet ein brauner, hagerer Araber, der ge—
bietende Herr des Zuges. Das bunte Gewimmel ist in eine Wolke von
Staub gehüllt. Die Sonne steigt nun empor, und die Karawane wendet
sich ihr entgegen zum Gebet. Die Glut der Sonne vermehrt sich; die
wunden Sohlen schmerzen, die Glieder ermatten; ein brennender Durst
peinigt alle. Kein Strom, kein Grün, kein Strauch weit und breit. Auf
heißen, schattenlosen Pfaden schreitet die Karawane. Da läßt endlich,
mitten in der Wüste verborgen, ein Quell seine leise Stimme vernehmen.
Das Kamel hat ihn aus der Ferne schon gewittert und schreitet rascher
voran; ihm nach lustig der ganze Zug. Plötzlich stehen die Tiere still
und bäumen sich vor Lust. Ein Strahl der Freude glänzt auf den Ge—
sichtern. Man ist an der Stelle. Der ganze Zug wird in einen Kreis
gestellt; die Quelle erquickt Menschen und Tiere. Man schlägt ein Zelt
auf und lagert sich für die Nacht. Ein paar trockene Dornbüsche und
gesammelter Kameldünger geben Holz und Kohlen zum Feuer. Das
9 Siehe Nr. 62: „Das Kamel.“
Deutsches Lesebuch f. h. Lehranst. U. Teil. (Quinta.)
12