266 A. Erzählende Prosa. II. Geschichtliche Darstellungen
Geleit der zu den Festen Wallfahrenden verbürgten. In der ganzen Halbinsel
wurde Waffenruhe angesagt, wenn die Zeit der Festspiele herankam. Den
Eleern wurde die Verwaltung des Heiligtums übertragen und dafür ihrer
Landschaft eine ewige Waffenruhe verliehen; keine bewaffnete Schar durfte ihre
Grenzen überschreiten, ganz Elis war ein dem olympischen Zeus geweihies
Land. Herakles aber, der Heros des dorischen Stammes, nach der Sage der
Urheber aller Einrichtungen desselben, wurde durch die Sage auch zu Olympias
Festordner erhoben. Nach und nach stieg das Ansehen des Heiligtums, und es
wurde aus einem peloponnesischen ein hellenisches Die Heuͤenen zühlten nach
Quympiaden, maßen nach olympischen Sladien und schlossen sich den heiligen
Gebräuchen Olympias an.
Olympia war ursprünglich ein Tempelbezirk vor den Thoren Pisas. Nach
der Zerstörung dieser Stadt war die Landschaft weit und breit umher nur
noch in Dörfern bewohnt, die wohlhabendste und gepflegteste Gegend Griechen⸗
lands, voll von Ackerfluren, Wäldern und Gärten, welche das ein⸗
hegten. Olympia selbst bestand aus zwei scharf gesondetten Tei en, aus dem
nicht geheiligten Raume und aus der Altis, dem Tempelhofe des Zeus, welcher
alles Eigentum der Götter enthielt. Den Raum der Altis hatte Herakles
mit seinen Schritten abgemessen, er hatte die hohe Umfangsmauer gegründet,
welche alles Unheilige von der Schwelle des Zeus fern hielt. Diese Mauer
zog sich auf der Abendseite am Kladeos entlang, dem platanenreichen Neben⸗
flusse des Alpheios; sie erstreckte sich im Suden oberhalb des Alpheiosbettes
und schloß sich im Osten an das Stadium ann Nur durch ein Eingangsthor
mit schimmernder Säulenhalle durften die Festzüge den Boden der Altis be—
treten. Trat man hinein, so hatte man gleich zur Rechten den heiligen Olbaum,
von dessen Zweigen ein Knabe mit goldenem Messer die Siegeskränze ab—
schnitt; darum hleß er der Baum der schönen Kränze. In seinem Gehege
hatte man den Nymphen einen Altar erbaut, um sie durch Opfer gnädig zu
erxhalten, daß sie nicht ablassen möchten, mit frischem Taue das Gedeihen des
köstlichen Baumes zu pflegen. Es waͤr ein wilder Olbaum, dessen Blätter
sich durch ein tieferes Grün von dem zahmen Olbaume unterscheiden; es war
der Erstling von der Pflanzung des Herakles, welcher von den schattigen Istros⸗
quellen her das Reis geholt haben sollte, um das noch baumlofe Aphelosthal
zu schmücken. Jenseits des Kranzbaums erhob sich auf mächtigem Unterbaue
der Tempel des Zeus, die wichtigste Stelle innerhalb der Alis. Der Tempel⸗
ort war eine uralte Stätte des Zeusdienstes. Schon fruhe stand hier ein
Tempel; als aber Athens Denkmäͤler auf der Aklropolis alle früheren Kunst⸗
schöpfungen verdunkelten, beschlossen die elischen Behörden einen Umbau und
wandten sich nach Athen, der hohen Schule griechischer Kunst. Auf ihren Ruf
eilte Phidias herbei, von seinen namhaftesten Schülern und einer ganzen Schar
attischer Werkmeister begleitet. Im Einverständnisse mit ihm ordnete Panainos
den malerischen Schmuck und die Gewandung des Tempelbildes, füllten Alka—
menes und Paionios die Giebelfelder mit Gestalten der Götler und Heroen;
er selbst, der König der Kunst, widmete seine ganze Kraft und Erfahrung der
höchsten Aufgabe seines Lebens, den Nationalgott der Griechen an seiner wür—
digsten Stelle zu verherrlichen. Neben dem Tempel des ersten der Götter er—
streckte sich das Heiligtum des achäischen Heroen Pelops und das der Hera;
nach der Mitte des Hofes vorliegend, erhob sich der große Zeusaltar auf einem
mächtigen Unterbau zu einer Höhe von 22 Fuß, so daß der Opferrauch frei
über die Häupter der Festversammlung fortgiehen konnte. An der nördlichen
Seite trat der Hügel des Kronos vom olympischen Gebirge in die Mis bor