Full text: [Tertia, [Schülerband]] (Tertia, [Schülerband])

Arndt: Die Erhebung des preußischen Volkes im Jahre 1813. 
1813 bleiben. Wir können nun zu jeder Stunde sterben, wir haben auch in 
Deutschland das gesehen, weswegen es allein wert ist, zu leben: daß Menschen 
in dem Gefühl des Ewigen und Unvergänglichen mit der freudigsten Hingebung 
alle ihre Zeitlichkeit und ihr Leben darbringen können, als seien sie nichts. 
Kanm war der Wnigliche Wille erschollen, so erkannte das Volk ihn durch die 
Art, wie es gehorchte, ja wie es dem königlichen Befehl vorauslief, als seinen 
Wüllen. Von Memel bis Demmin, von Kolberg bis Glatz war nur eine Stimme, 
ein Gefühl, ein Zorn und eine Liebe, das Valerland zu retten, Deutschland zu 
befreien und den französischen Übermut einzuschränken. Jünglinge, die kaum 
wehrhaft waren, Männer init grauen Haaren und wankenden Knieen, Offiziere, 
die wegen Wunden und Verstümmelungen lange ehrenvoll entlassen waren reiche 
Gutsbesiher und Beamte, Väter zahlreicher Familien und Verwalter weitläufiger 
Geschäfte, in Hinsicht jedes Kriegsdienstes entschuldigt, wollten sich selbst nicht 
entschuldigen; ja selbst Jungfrauen drängten sich unter mancherlei Verstellungen 
Und Berlarvungen zu den Waffen; alle wollten sich üben, rüsten und für das 
Vaterland streilen und sterben. Preußen war wieder das Sparta geworden, 
als welches seine Dichter es einst besangen; jede Stadt, jeder Flecken jedes Dorf 
schallte von Kriegslust und Kriegsmusik und war in einen Übungs⸗ und 
Waffenplatz verwandelt; jede Feueresse ward eine Waffenschmiede. Das war das 
Schönste bei diesem heiligen Eifer und fröhlichen Gewimmel, daß alle Unter— 
schiede von Ständen imd Klassen, von Altern und Stufen vergessen und auf⸗ 
gehoben waren, daß jeder sich demütigte und hingab zu dem Geschäft und Dienst, 
o er der brauchbarfte war, daß das eine große Gefühl des Vaterlandes und 
seiner Freiheit und Ehre alle andern Gefühle verschlang, alle andern sonst er— 
laubten Rucksichten und löblichen Verhältnisse aufhob. Die Menschen fühlten 
es, sie waren gleich geworden durch das lange Unglück, sie wollten auch gleich 
fein im Dienft und im Gehorsam. Und so sehr erhob die große Pflicht und 
das gemeinsame Streben, wovon sie beseelt waren, alle Herzen, daß das 
Niedrige, Gemeine und Wilde, dem in getümmelvollen Zeiten der Bewaffnungen 
und Kriege eine so weite Bahn geöffnet ist, nicht aufkommen konnte. Die 
heilige Begeisterung dieser unvergeßlichen Tage ist durch keine Ausschweifung und 
Wildheit entweiht worden; es war, als fühlte auch der Kleinste, daß er ein 
Spiegel der Sittlichkeit, Bescheidenheit und Rechtlichkeit sein müsse, wenn er den 
Uberinut, die Unzucht und Prahlerei besiegen wollte, die er an den Franzosen 
so sehr berabscheut hatte. Was die Männer so unmittelbar unter den Waffen 
imd für die Waffen thaten, das that das zartere Geschlecht der Frauen durch 
flille Gebete, brünstige Ermahnungen, fromme Arbeiten, menschliche Sorgen und 
Muhen für die Ausziehenden, Kranken und Verwundeten. Wer kann die un— 
zähligen Opfer und Gaben dieses großen Sommers zühlen, die zum Teil unter 
den nhrendsten Umständen dargebracht sind? Wer kann die dem Vaterlande ewig 
ern Namen der Frauen und Jungfrauen aufrechnen, welche in einzelnen 
Wohnungen oder in Krankenhäusern die Nackenden gekleidet, die Hungrigen ge⸗ 
speist, die Kranken gepflegt und die Verwundeten verbunden haben? So geschah 
bon einem Ende des Reichs bis zum andern; doch gebührte Berlin der Vor— 
rang; es hat bewiesen, daß es verdieut der Sitz seiner Herrscher zu sein. Freue 
dich deiner Ehren, wackere Stadt! Die alten Sünden sind versoͤhnt, die alten 
linbilden vergessen, Ruhm und Glück werden wieder ihren Wohnsitz bei dir auf⸗ 
schlagen. Ich sage nur das eine: es war plötzlich wie durch ein Wunder 
Golles ein großes und würdiges Volk erstanden Krieg wollten alle, Gefahr 
od wollen fie den Frieden fürchteten sie, weil sie von Napoleon keinen
	        
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