Full text: [Tertia, [Schülerband]] (Tertia, [Schülerband])

Jacobs: Sentenzen Engel: Tobias Wit 
Einmal lobte ihn ein junger Bekannter, Herr Till, seiner Klugheit wegen 
„Ei,“ fing der alte Witt an und schmunzelte, wär' ich denn wirklich so klug?“ 
„Die ganze Welt sagt's, Herr Witt Und weil ich es auch gern würde — 
„Je nun, wenn Er das werden will, das ist leicht Er muß nur fleißig 
achtgeben, Pert Till, wie es die Narren machen.“ 
„Was? Wie es die Narren machen? 
„Ja, Herr Till, und muß es dann anders machen als die.“ 
„Als zum Exempel?“ 
„Als zum Exempel, Herr Till, so lebte dahier in meiner Jugend ein alter 
Arithmetikus, ein dürres, grämliches Männchen, Herr Veit mit Namen. Da 
ging immer umher und murmelte vor sich selbhst, in seinem Leben sprach er n 
keinem Menschen. Und einem ins Gesicht sehen, das that er noch weniger; 
immer guckte er ganz finster in sich hinein. Wie meint Er nun wohl, Herr Till, 
daß die Leute den hießen? 
„Wie? Einen tiefsinnigen Kopf.“ 
„Ja es hat sich wohl! Einen Narren! Hui, dacht' ich da bei mir selbst 
— denn der Titel stand mir nicht an , wie der Herr Veit muß man's nich 
machen. Das ist nicht fein. In sich selbst hineinsehen, das taugt nicht; sieh 
du den Leuten dreist ins Gesicht! Oder gar mit sich selbst sprechen, pfunl 
du lieber mit andern! Nun, was dunk Ihn, Herr Till? Hatt ich 
da recht?“ 
„Ei ja wohl, allerdings!“ 
„Aber ich weiß nicht. So ganz doch wohl nicht. Denn da lief noch ein 
anderer herum, das war der Tanzmeister Herr Flink. Der guckte aller Well 
ins Gesicht und plauderte mit allem, was nur in Ohr hatte, immer die Reihe 
herum; und den, Herr Till, wie meint Er wohl, daß die enle den hießen? 
Einen lustigen Kopf?“ 
„Beinahe! Sie hießen ihn auch einen Narren. Hui, dacht' ich da 
wieder, das ist doch drollig! Wie mußt du's denn machen, um klug zu heißen? 
Weder ganz wie der Herr Veit noch ganz wie der Herr Flink. Erst fiehft 
du den Leuten hübsch dreist ins Gesicht wie der eine, und dann siehst du 
hübsch bedächtig in dich hinein wie der andere. Erst sprichst du laut mit den 
Leuten wie der Herr Fliuk und dann insgeheim mit dir selbst wie der Herr 
Veit. Sieht Er, Herr Till? So hab ich's gemacht, und das ist das ganze 
Geheimnis.“ 
Ein auder Mal besuchte ihn ein junger Kaufmann, Herr Flau, der gar 
sehr über sein Unglück klagte. „Ei was! fing der alte Witt an und schüttelte 
ihn; „Er muß das Glück nur suchen, Herr Flau; Er muß danach aus sein 
„Das bin ich ja lange, aber was hilf!s? Immer kommt ein Streich über 
den andern. Künftig leg' ich die Hände leber gar in den Schoß und bleibe 
u Hause.“ 
vr nicht doch, nicht doch, Herr Flau) Gehn muß Er immer danach, 
aber sich nur hübsch in Acht nehmen, wie Er's Gesicht trägt.“ 
„Was? Wie ich's Gesicht trage 
„Ja, Herr Flau, wie Er's Gesicht trägt. Ich will's Ihm erklären. Als 
da mein Nachbar zur Linken sein Haus bame, lag einst die ganze Straße voll 
Balken und Steine und Sparren; und da kam unser Bürgermeister gegangen, 
Herr Trik, damals noch ein blutjunger Ratsherr, der rannte mit von sich 
lne Armen ins Gelag hinein und hielt den Nacken so steif, daß die 
Nase mit den Wolken so ziemlich gleich war. Plumps! lag er da, brach ein 
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