Wilhelm I. 211
französische Heer löste sich in wilder Flucht auf, Napoleon sprang ohne Hut
und Degen aus dem Wagen und rettete sich zu Pferde. Degen, Hut und
Mautel und alle Orden Napoleons wurden an Blücher gebracht!
Nun war „die bonapartische Geschichte" wieder zu Ende. Die Ver-
kündeten zogen zum zweiteumale in Paris ein, Napoleon wurde nun auf die
ferne Insel St. Helena gebracht, von wo er nicht entkommen konnte, und hat
dort noch sechs Jahre als Gefangener gelebt.
Der alte Blücher aber konnte nun wirklich ausruhen. Von allen ge¬
liebt und umjubelt, hat er noch vier Jahre gelebt, immer fröhlich und jugend-
frisch. Was ihn groß gemacht hat, das hat er einmal sehr bescheiden zu-
sammengefaßt: „Es war meine Verwegenheit, Gneisenaus Besonnenheit und
des großen Gottes Barmherzigkeit."
X. Wilhelm I.,
der Gründer des neuen Deutschen Reiches. \797—X888.
„Die Nachwelt wird mich nicht unter die berühmten Frauen zählen,
aber sie wird sagen, daß ich viel Schweres mit Geduld ertragen habe. —
Ach, wenn die Nachwelt doch sagen könnte, daß ich Prinzen das Leben ge¬
geben habe, welche imstande waren, das Land wiederaufzurichten." So schrieb
die Königin Luise im Jahre 1808 in ihr Tagebuch, und diesen Wunsch hat
ihr der Himmel erfüllt. Ihrem Sohne Wilhelm war es vergönnt, als die
Zeiten reif waren, das zu vollbringen, was die Mutter so heiß ersehnt und
erfleht hatte: die Wiederaufrichtung Preußens und Deutschlands.
Ä. Prinz Wilhelm. 1797-1861. Als zweiter Sohn Friedrich
Wilhelms III. und der Königin Luise, also nach menschlichem Ermessen nicht
zum Throne bestimmt, wurde Prinz Wilhelm am 22. Marz 1797 geboren.
Unter der Obhut der holden, damals erst zwanzigjährigen Mutter verlebte
der Knabe mit seinem alteren Bruder Friedrich Wilhelm ein paar sonnige
Kinderjahre. Aber als er anfing zu denken, begann auch das Unglück
Preußens. Er sah den Vater ernst, die Mutter in Tränen. Der zehnjährige
Knabe sah fern in Königsberg und Memel das Unglück des Landes, den
Übermut des Siegers. Dort, im fernen Osten, ist er mit zehn Jahren, wie
alle preußischen Prinzen, Offizier geworden und in die Armee eingetreten,
die damals nur noch in Trümmern vorhanden war. Er ahnte nicht, daß er
einst all diese Schmach wieder gut machen sollte „durch Gottes Fügung".
Aber fromm und ernst mußte fo frühes Leid die Seelen der Knaben machen.
Die Königin meinte selbst, es sei ihren Kindern gut, daß sie „die ernste
Seite des Lebens schon in ihrer Jugend kennen lernen". Vom Prinzen Wilhelm
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