Die Frankfurter Kaiserwahl. Volksaufstände. III 106—10.
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aus Gnade verliehen (oktroyiert) hatte, zum Deutschen Kaiser. Aber 1849
er selbst wollte Österreich um jeden Preis beim Reich erhalten: „Deutsch-
land ohne Osterreich," schrieb er seinem Freund, dem Prinz-Gemahl Albert,
nach London, „wäre schlimmer als ein Gesicht ohne Nase." Und dem Reichs-
verweser schrieb er: „Österreich muß Karls des Großen Krone erblich
haben und Preußen erblich das Schwert von Deutschland. Das ist mein
felsenfestes Bekenntnis." Die Zumutung gar, die Kaiserkrone aus den
Händen der Revolution zu empfangen, war ihm ebenso unerträglich wie
die Besorgnis, sie mit den Waffen gegen den Donaustaat verteidigen
zu müssen.
Als daher eine Abordnung des Parlaments unter der Führung des
Präsidenten Eduard Simson vor ihm erschien, lehnte er die Krone ab;
sie würde, äußerte er einmal, für ihn „das Halsband der Leibeigenen im
Dienste der Revolution" sein.
Entmutigt kehrten die meisten Abgeordneten heim; Preußen und Oster¬
reich riefen die Mitglieder der Nationalversammlung ab, die ihrem Staats-
verband angehörten.
9. Das Volk aber wollte Verfassung und Kaisertum erzwingen. In
Sachsen, wo der Hofarchitekt Gottfried Semper die Barrikaden er-
baute und der Hofkapellmeister Richard Wagner sie verteidigen half,
in der Rheinpfalz, in Baden flammte der Bürgerkrieg empor; Tausende
von Soldaten nahmen daran teil und bemächtigten sich der Bundes-
festung Rastatt; in Westfalen und im Rheinland meuterten die einberufenen
Landwehrleute. Der flüchtige ©roßherzog von Baden und der Reichs-
verweser riefen die Hilfe Preußens an.
Die Truppen, die König Friedrich Wilhelm unter der Führung seines
Bruders Wilhelm sandte, bewältigten rasch die Aufstände: die Pfälzer
jammerten, man sehe nichts als Himmel und Pickelhauben. Nach zäher
Verteidigung fiel Rastatt, aus dessen engumdrängten Mauern der Student
Karl Schurz sich soeben gerettet hatte, wie es wenige Monate später
seiner Verwegenheit und Umsicht gelang, seinen Lehrer Gottfried
Kinkel aus dem Zuchthaus zu Spandau zu befreien.
Unter den eidbrüchigen Soldaten waltete das Standrecht seines trau-
rigen Amtes; zahlreiche Aufständische retteten sich nach England oder
Amerika.
10. In Italien begann der Krieg im Frühjahr 1849 aufs neue. „Der
Kampf wird kurz sein," rief Feldmarschall Radetzky seinen Soldaten zu:
„noch einmal folgt Eurem greisen Führer zum Siege!" Nach viertägigem
Feldzug zwang sein Sieg bei Novara König Karl Albert zur Abdankung;
sein Sohn Viktor Emanuel schloß Frieden.
Franzosen und Österreicher eilten dem Papst Pius IX. zu Hilfe, der vor