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gewann bei der Thronbesteigung der Valois neue Nahrung.
Bisher hatten sich diese beiden Nationen nur um das Recht und
den Besitz einzelner Provinzen gestritten; jetzt galt der Streit
den Thron von Frankreich selbst. Denn Eduard III., der da¬
malige König von England, war von mütterlicher Seite ein
Enkel Philipp des Schönen und behauptete als solcher nähere
Ansprüche an den französischen Thron zu haben. Aus diesen
gegenseitigen Ansprüchen der beiden Thronbewerber entspann sich
zwischen den Franzosen und Engländern ein höchst blutiger
Krieg, der mit weniger Unterbrechung ein ganzes Jahrhundert
hindurch fortwährte und mit der völligen Vertreibung der Eng¬
länder aus Frankreich endete.
Anfangs war das Glück den Franzosen wenig günstig.
Eduard 111. machte große Eroberungen in Frankreich. Er er¬
focht im Jahre 1346 bei Crccy einen vollständigen Sieg über
Philipp; das Jahr darauf eroberte er auch die wichtige Festung
Calais an der Enge des Canals. Noch unglücklicher war Frank¬
reich unter Philipp's Nachfolger, Johann 11., der sogar selbst
in die Gefangenschaft der Feinde gerieth in der Schlacht bei
Maupertuis im Jahre 1356, wo der Prinz von Wales, der
von der Farbe seiner Rüstung der schwarze Prinz genannt
wurde, sich vorzüglich auszeichnete. Jedoch das größte Unglück
erlitt Frankreich unter Karl VI., der von 1380 bis 1422 auf
dem Throne saß. Beim Antritte seiner Negierung war er min¬
derjährig, und als er erwachsen war, fiel er in Wahnsinn. Zur
Zerstreuung des unglücklichen Fürsten soll um diese Zeit das
Kartenspiel in Frankreich erfunden worden sein; und daher sind
bei diesem Spiele die meisten Namen und Bezeichnungen noch
jetzt französisch. Es entstand nun ein heftiger Streit um die
Negierung unter seinen nächsten Anverwandten, vorzüglich unter
den Herzogen von Orleans und Burgund, die daö
Reich von allen Seiten in Flammen setzten. Der Herzog Jo¬
hann von Burgund ließ den leiblichen Bruder des Königes,
den Herzog Ludwig von Orleans, im Jahre 1408 zu