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In der Stadt selber stiegen turmhohe Staubsäulen über den
zusammenbrechenden Straßen auf. Die Überlieferung sagt, die
Sonne sei minutenlang davon verdunkelt worden, und schwarze
Nacht habe sich herabgesenkt, ein neues Schrecknis unter so
vielen schrecklichen Szenen. Sie berichtet ferner, was man hier
leicht hinzudenkt, daß beständiges Angstgeschrei überall erschollen
sei, und daß jede Brast den Jammer des Todes gefühlt habe, dessen
tausendfältige Gestalten man vor sich sah. Als dann die Nach¬
schwingungen des Erdstoßes sich zu beruhigen schienen, folgte
eine angstvolle Pause. Die Staubwolken verschwanden, und der
Himmel blickte in ruhiger Klarheit auf die Zerstörung. Viele,
die der Vernichtung wie durch ein Wunder entgangen waren,
krochen aus den Trümmern hervor und fanden sich bei den Leben¬
den ein. Etliche hielten sich in schwindelnder Höhe an die Sparren
und Balken zerrütteter Häuser und flehten um Hilfe. Verstümmelte
und Sterbende füllten die Luft mit markdurchdringendem Weh¬
geschrei.
Da erfolgte nach einigen Minuten ein zweiter Erdstoß. Die
wenigen Häuser, welche etwa noch standen, schwankten hin und
her wie Masten im Sturme, bis ein dritter Stoß auch sie in Trümmer
warf. Die Fliehenden wurden zu Boden gestreckt, und Entsetzen
und Verwirrung erreichten den höchsten Grad.
Und doch war das Trauerspiel noch lange nicht zu Ende;
denn nun gesellte sich auch das Feuer zu dem Aufruhre der Natur,
und mit angehender Nacht standen die Ruinen von Lissabon in
Flammen. Da niemand da war zu löschen, so verbreitete sich das
entfesselte Element, soweit es Nahrung fand, und vollendete die
Vernichtung. Acht Tage wütete der Brand, und zwar am meisten in
den engsten Teilen der Stadt. Halb entblößt, mußten die Geretteten
auf die benachbarten Felder fliehen. Waren, Lebensrnittel, Hausrat,
Kleider, alles verbrannte. Das Verhängnis hatte alle gleich ge¬
macht.
Anfangs glaubte man, das Feuer sei aus der Erde gebrochen,
aber genauere Untersuchung bestätigte das nicht. Es war teils
aus den Herdfeuern der Häuser, teils von den großen brennenden
Kerzen in den Kirchen entstanden, teils auch vielleicht von Mord¬
brennern angezündet worden.
Von allen öffentlichen Gebäuden waren nach dem Erdbeben
nur noch die Münze und die Schatzkammer übrig. Die Erdstöße
dauerten noch einen Monat fort, obgleich sie verhältnismäßig von